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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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eingesetzt hatte, so plötzlich verebbte er wieder. Jeder im Saal schien zu spüren, was dieser Augenblick bedeutete. Das Gefühl eines nie erlebten Triumphes nahm von Laura Besitz.
    »Nun mach schon!«, rief jemand in die Stille. »Lass sie nicht länger frieren.«
    Der eine Zuruf genügte, um den Zauber zu brechen. Während Laura plötzlich am ganzen Körper zitterte, als wehte ein eisiger Wind in den Raum, verharrte Harry in der Bewegung. Statt sie zu berühren, waren da nur noch diese zwei kalten, stahlblauen Augen, mit denen er sie sezierte wie ein Insekt unterm Mikroskop.
    Mit einer Stimme, die so frostig klang wie ein Eiszapfen, sagte er: »Wenn sie friert, ist das ihre Sache. Ich habe keine erotische Beziehung zu dieser Frau. Sie kann machen, was sie will.«
    Die Worte taten Laura so weh, dass ihr die Tränen kamen. Für einen Augenblick war sie hinter den Spiegeln gewesen, doch jetzt hatte die Realität sie wieder. Während sich in dem Lokal ein enttäuschtes Raunen erhob, trat Roberto kurz entschlossen auf sie zu und legte ihr seinen Mantel über die Schultern.
    War es wirklich aus und entschieden?
    Noch einmal schaute Laura Harry an, in der Hoffnung, dass er seine Lüge eingestehen würde. Aber er tat es nicht.
    »Machen, was ich will?«, sagte sie wütend. »Das werde ich! Am besten fange ich gleich damit an.«

Noch während sie sprach, kehrte sie ihm den Rücken zu. Roberto schaute sie an wie ein Torero einen Stier vor dem tödlichen Stoß, und sein Lächeln entblößte einen goldenen Schneidezahn. Sie nahm sein Gesicht zwischen die Hände und küsste ihn voller Leidenschaft auf den Mund.
    »Gehen wir, mein Matador. Ich kann es gar nicht erwarten, von dir besiegt zu werden!«
    9
    Mit offenem Mund starrte Harry den beiden nach, wie sie durch die Drehtür verschwanden, hinaus in die Finsternis. Er wusste nicht, auf wen er wütender war: auf sich selbst oder auf Laura? Sie hatte ihn aufgefordert, sein Gelübde zu breche n – in der schamlosesten, wunderbarsten Weise, die ein Mann sich nur erträumen konnte. Ihr Auftritt war ihm so unter die Haut gefahren, als würden tausend kleine Dadas in seiner Seele hausen, von wo aus sie ihre Liebespfeile auf seinen Willen abfeuerten. Es ging um sein Leben, um seine Kuns t – und er war verliebt wie ein Friseurgehilfe aus Köln-Nippes! Doch nachdem er der Versuchung widerstanden hatte, zog Laura jetzt mit diesem Wilden a b – einem Stierkämpfer aus Mexiko! Wenn Harry sich vorstellte, was der Kerl mit seiner Windsbraut treiben würde, wurde ihm schlecht vor Angst.
    »Zum letzten Mal«, sagte Pompon in die Stille hinein, »entweder du unterschreibst jetzt die Resolution gegen Lauréat, oder ich muss dich auch exkommunizieren.«
    Harry brauchte eine Weile, bis er verstand, wovon Pompon überhaupt sprach.
    »Ach, leck mich doch am Arsch!«, rief er. Ohne zu zahlen, sprang er auf und stürzte zur Tür hinaus.
    Draußen auf dem Bürgersteig lief er einer Frau in die Arme.
    »Florence?«
    »Ich habe auf dich gewartet«, sagte sie.
    Dada jubilierte! Ohne zu überlegen, was er tat, nahm Harry ihre Hand. An ihrer Seite stolperte er den Boulevard Saint-Germain-des-Prés entlang. Dada kannte den Weg, er war ihn so viele Male gegangen. Doch kurz bevor sie das Haus erreichten, in dem Florence wohnte, regte sich noch einmal sein Verstand. Diese Frau war eine Verrückte! Wenn er sich jetzt auf sie einließ, war er für immer verraten und verkauft! Nie wieder würde sie ihn aus ihren Fängen lasse n … Egal! Was bedeuteten Verstandesgründe, wenn es eine weibliche Hand gab, die ihn führte? Harry wusste, dass er mit Laura nie die Ruhe finden würde, die er zur Arbeit brauchte, nicht in jenem Zustand permanenter Erregung, in dem er sich seit Wochen befand, hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, sie endlich zu besitzen, und dem Gelübde, das er vor dem Altar seiner Kunst abgelegt hatte. Florence war der Beelzebub, mit dem er den Teufel austreiben würde.
    »Ich habe immer gewusst, dass du zu mir zurückkommst«, sagte sie, als sie die Haustür aufschloss. »Jetzt wird alles wieder gut.«
    Die Wohnung war ein Geschenk ihres Vaters zur Hochzeit gewesen und lag im ersten Stock des Gebäudes, in dem die Rue des Saints-Pères auf den Boulevard Saint-Germain stieß, direkt über einem Tabakladen. Ohne das Licht anzuschalten, eilten sie an der Concierge-Loge vorbei die Treppe hinauf, und sie hatten die Wohnung kaum betreten, da rissen sie sich gegenseitig die Kleider vom Leib.
    »Du

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