Himmelsdiebe
sein Gesicht mit Küssen zu bedecken. »Ein Kind ist das Letzte, was ich mir im Moment leisten kann. Ich bin pleite! Seit ich aus London zurück bin, habe ich kein einziges Bild verkauft.«
»Das wird sich ändern! Glaub mir, mein Liebling! Schon bald! Ach, ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich freue. Warte nur ab, wenn du dein Kind erst im Arm hältst, wirst du mir dankbar sein!«
»Um Himmels willen! Begreif doch endlich!« Er packte ihre Handgelenke, um sich von ihr zu befreien. »Das sind Hirngespinste! Ich tauge nicht zum Vater! Frag meinen Sohn! Bobby will seit Jahren nichts von mir wissen!«
»Das sagst du doch nur, weil du Angst hast! Aber dafür gibt es keinen Grund! Überlass alles mir! Du brauchst gar nichts zu tun! Ich werde mich um alles kümmern! Ich will nur, dass wir glücklich sind! Du und ich und unser Kind!« Wieder bedeckte sie sein Gesicht mit Küssen. »Sag jetzt nichts! Ich weiß ja, was du sagen willst. Aber mach dir keine Sorgen. Ich habe mehr Geld, als wir brauchen. Die Wohnung gehört mir, ich bekomme jeden Monat von meinen Eltern tausend Franc. Das reicht für uns beide, für uns dre i …«
»Nein, nein und nochmals nein! Ich tauge zum Vater wie ein Igel zum Arschwisch!«
Fast mit Gewalt stieß er sie zurück. Florence verstummte. Wortlos sah sie zu, wie er nach einer angebrochenen Flasche Rotwein auf dem Tisch griff und sich ein Glas einschenkte.
»Herrgott«, flüsterte er, »ist mir denn nirgendwo Ruhe vergönnt?«
Während er den Wein herunterspülte, fiel sein Blick auf das Bild an der Wand: Dadas Paradies … Ein Doppelporträt in einer arkadischen Landschaf t – er hatte es vor Jahren in einem Anfall von Wahnsinn für sie gemalt. Florence trug einen Brautkranz und hing irgendeinem schönen Traum nach, während Harry schon im Begriff schien, das Paradies zu verlassen. Jetzt kam das Bild ihm vor wie die unbewusste Vorahnung eines Abschieds. Hätte er damals nur in der Wirklichkeit vollzogen, was er beim Malen offenbar längst geahnt hatt e …
»Nimm doch Vernunft an«, sagte er. »Blicken wir den Realitäten ins Auge. Wir sind kein Paar mehr, wir sind geschieden! Hast du das vergessen?«
Florence zog ein Gesicht, als hätte er in einer fremden Sprache zu ihr gesprochen. »Kommt es darauf an?«, fragte sie. »Auf ein Stück Papier? Seit wann bist du ein solcher Spießer, dass du Liebe nach einer Urkunde bemisst ? – Nein, lass mich ausreden«, sagte sie, als er widersprechen wollte. »Ich weiß ja, wovor du Angst hast. Du hast Angst, dass du nicht mehr zum Malen kommst. Aber das ist nicht nötig. Ich werde alles tun, damit du immer die Ruhe hast, die du für die Arbeit brauchst. Die Wohnung ist groß genug, auch wenn wir zu dritt sind. Du sollst das Esszimmer haben, ganz für dich allein. Und wenn du willst, mieten wir ein Atelier dazu. Ich habe mich umgehört. Die Concierge sagt, in der Rue de Seine gibt es ein Studio, mit einem riesigen Glasfenster, und gar nicht teue r …«
Während sie sprach, schrillte plötzlich die Wohnungsklingel. Harry schrak zusammen. Sollte etwa Laur a …? Nein, das war unmöglich! Das musste der Briefträger sein! Harry dankte Gott, dass er die Post erfunden hatte.
Als er die Wohnungstür öffnete, traute er seinen Augen nicht. Auf dem Treppenabsatz stand weder der Briefträger noch Laura, sondern sein eigenes Ebenbild. Nur mit dunkelblonden Haaren und dreißig Jahre jünger.
»Bobby? Du?«, rief Harry und nahm seinen Sohn in den Arm. »Komm her und lass dich drücken! Seit wann bist du in Paris? Heiliger Bimbam! Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, dich wiederzusehen!«
12
Im Café Flore saßen zu dieser Tageszeit nur ein paar vereinzelte Zeitungsleser und eine Handvoll Touristen an den runden Marmortischchen.
»Die Herrschaften wünschen?«, fragte der Kellner.
»Ein Mineralwasser«, radebrechte Bobby auf Französisch.
»Sei nicht so entsetzlich vernünftig«, protestierte sein Vater. »Ein Tag wie heute muss gefeiert werden! Mit Champagner!«
»Ich habe noch nie Champagner getrunken.«
»Dann wird es höchste Zeit! Um das Geld mach dir keine Sorge. Ich kann anschreiben lasse n – ich hab hier Kredit.« Harry drehte sich zu dem Kellner herum und schnippte mit dem Finger. »Eine Flasche Veuve Clicquot!«
»Nein«, sagte Bobby. »Mineralwasser reicht völlig.«
Sein Vater zog ein Gesicht, als wäre Bobby in der Schule sitzen geblieben. Mit einem Seufzer fügte er sich in sein Schicksal und bestellte
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