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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Harry?
    »Kommt mit nach Amerika«, platzte es auf einmal aus Bobby heraus.
    Die beiden schauten ihn an, als wäre er von allen guten Geistern verlassen.
    »Nach Amerika?«, fragte Mathilde. »Was sollen wir da? Die Amerikaner sind Banausen.«
    »Das kannst du laut sagen«, pflichtete Harry ihr bei. »Neulich war eine Amerikanerin in meinem Atelie r – angeblich eine Kunstsammlerin! Sie hatte mehrere Dutzend Bilder zur Wahl, aber kein einziges hat sie gekauft. Das sagt ja wohl alles!«
    »Ihr könnt euch nicht vorstellen, was in Deutschland los ist«, insistierte Bobby. »Leute wie ihr kommen ins Lager. Oder verschwinden ganz einfach, ohne dass jemand weiß, wohin. Juden und Künstler stehen bei den Nazis ganz oben auf der Liste.«
    »Was du nicht sagst«, erwiderte seine Mutter. »Genau darum sind wir ja aus Deutschland fort.«
    Bobby schüttelte den Kopf. »Hier seid ihr auch nicht sicher, zumindest nicht auf Dauer. Die Nazis werden keine Ruhe geben, bis ganz Europa nach ihrer Pfeife tanzt.«
    »Ich finde es wirklich rührend, dass du dir Sorgen um deine Eltern machst«, sagte Mathilde und tätschelte seine Hand. »Aber glaub mir, das ist nicht nötig. Du darfst das Geschrei der Nazis nicht für bare Münze nehmen. Hunde, die bellen, beißen nicht. Auch wenn Hitler gerade Oberwasser ha t – einen Krieg kann Deutschland sich nicht leisten.«
    »Deine Mutter hat recht«, ergänzte Harry. »Hier im Ausland sieht man die Dinge klarer als bei euch. Der Nazi-Spuk ist bald vorüber. Hitler ist eine verkrachte Existenz. Der Mann wollte Maler werden und hat es nicht mal zum Anstreicher gebracht. Glaubst du im Ernst, so ein Versager nimmt es mit ganz Europa auf?«
    »Warum wollt ihr nicht begreifen?«, fragte Bobby. »Ihr müsst weg von hier! Bevor es zu spät ist! Bitte, lasst mich mit meinem Chef reden. Vielleicht kann er euch ein Visum besorgen. Sein Cousin lebt in New York und kennt dort einflussreiche Leute. Er hat auch schon für mich gebürgt. Es wäre so schön, wenn wir zusamme n …«
    »Jetzt hör endlich auf mit dem Gerede«, fiel Harry ihm ins Wort. »Wir hatten uns so nett unterhalten, bis du damit angefangen hast . – Amerika«, sagte er voller Verachtung, »das ist doch lächerlich!«
    Die Ignoranz seines Vaters verschlug Bobby die Sprache. Was konnte er noch vorbringen, damit Harry den Gedanken zumindest erwog? Plötzlich hatte er eine Idee.
    »Dein Kollege Picasso scheint nicht deiner Ansicht zu sein.«
    Harry, der gerade einen Schluck von seinem Pastis trank, verschluckte sich beinahe.
    »Picasso?«, fragte er. »Wie kommst du denn auf den?«
    »Ich war gestern auf der Weltausstellung am Trocadéro. Im spanischen Pavillon habe ich sein großes Wandgemälde gesehe n – Guernica .«
    »S o – hast du?« Harry setzte sein Glas ab. »Ich fürchte, das Bild wird maßlos überschätzt. Wie übrigens dieser ganze Picasso.«
    »Das glaube ich nicht. Das Bild ist das großartigste Kunstwerk, das ich je gesehen habe. Es zeigt, was Krieg wirklich bedeutet. Genauso wird es bald in ganz Europa aussehen.«
    Harry schnaubte einmal durch die Nase. »Das sagst du doch nur, um mich zu ärgern.«
    »Du meinst, weil das Bild nicht von dir ist?« Bobby schüttelte den Kopf. »Nein, wenn ich dich ärgern wollte, würde ich was ganz anderes sagen.«
    »Da bin ich aber gespannt.«
    Harry schaute von seinem Glas auf. Auch wenn er die zwei blauen Augen wie zwei Skalpelle empfand, hielt Bobby dem Blick stand.
    »Nun gut, wenn du es unbedingt wissen willst«, sagte er. »Du willst nur wegen deiner Weibergeschichten hier bleiben. Weil du insgeheim hoffst, dass Laura nicht nach Mexiko fährt, sondern hier in Paris bleibt. Bei dir.«
    14
    Laura glaubte noch die scharfen Karboldämpfe aus der Praxis von Dr. Drieux zu atmen, als sie durch das Gewühl der Rue Saint-André-des-Arts nach Hause lief. Die Blähkrämpfe in ihrem Unterleib waren in den letzten Wochen so heftig geworden, dass sie nachts nicht mehr schlafen konnte. Manchmal, wenn sie wach im Bett lag, beschlich sie der absurde Verdacht, dass sie von Florences Fluch herrührten, bei ihrem Sprung von der Seine-Brücke. Weil sie wusste, dass das Unsinn war, hatte sie Dr. Drieux aufgesucht. Sie musste sich Gewissheit verschaffen. Dabei hatte sie auch die Untersuchung nachgeholt, die sie seit ihrer Flucht aus London immer wieder verschoben hatte, um endlich der Sache auf den Grund zu gehen.
    Hätte sie das nur nicht geta n …
    Als Laura die Rue de Seine überquerte, versperrte

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