Himmelsdiebe
Angst!
Durch die offene Kellertür rannte das Biest hinaus, Laura hinterher. Doch als sie im Hof war, sah sie nur noch sein schwarzes Hinterteil, das im Weinberg verschwand.
»Verdammtes Mistvieh!«
Wie eine Idiotin stand sie da, mit ihrem Spaten in der Hand. Zitternd vor Erregung, würgte sie die aufsteigenden Tränen hinunter. Nein, sie durfte nicht weinen, nicht, wenn sie allein war!
Als sie sich umdrehte, kam das Schaf aus dem Stall. Das Tier schaute sie mit so treuen Augen an, als würde es ihre Verzweiflung verstehen. Laura kniete sich zu ihm und vergrub ihr Gesicht in dem stinkenden Fell.
»Jetzt habe ich nur noch dich«, flüsterte sie.
Mit dem Tier im Arm durfte sie weinen, doch von dem Gestank wurde ihr speiübel. Zum Glück waren es bis zum Klo nur wenige Schritte.
Als sie sich erhob, sah sie Dada. Über dem Tor, an der Hauswand, strotzte er mit seiner Männlichkeit, als wäre nichts geschehen.
Bei dem Anblick wich Lauras Übelkeit bitterer Enttäuschung. Warum hatte Harry sie belogen? Er hatte ihr versprochen, sie vor der Welt zu schützen. Aber er hatte sein Wort nicht gehalten. Im Gegenteil. Er hatte sie im Stich gelassen, wie damals in Paris, als er seinen genitalen Verpflichtungen nachgekommen war, und seine Schutzgeister hatten jämmerlich versagt.
Plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte. Mit beiden Händen packte sie den Spaten und schlug Dada den strotzenden Pfahl vom Leib.
Als sie das Blut sah, das aus der klaffenden Wunde spritzte, warf sie den Spaten fort und erbrach in hohem Schwall den Inhalt ihres Magens, noch bevor sie das Klo erreichte.
3
Die Latrine im Lager von Largentière war kein überdachter Abort, sondern nur ein Balken über einer Grube, in die die Gefangenen ihre Notdurft verrichteten. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick über das Lager mit der Baracke und den Zelten, insbesondere aber auf das Schloss. Während seine Kameraden kamen und gingen, um sich auf dem Balken zu erleichtern, stellte Harry täglich seine Staffelei unweit der Latrine auf, um den Auftrag auszuführen, den Capitaine Lelouche ihm am ersten Abend seiner Internierung erteilt hatte. Der Kommandant wollte seine Frau mit einem Ölgemälde beglücken, damit sie sich im fernen Lyon ein Bild machen konnte von der Aufgabe ihres Gemahls und seines Beitrags zum Sieg Frankreichs über die deutschen Faschisten. Die Idee dazu war dem Capitaine gekommen, als Harry zur Strafe für sein Rumbrüllen beim Appell auf allen vieren den Fußboden der Schreibstube mit einer Zahnbürste geschrubbt hatte.
»Ich weiß auch schon den Titel«, hatte Lelouche gesagt. »Souvenir aus Largentière.«
Zum Glück hatte Laura alle Utensilien eingepackt, die Harry zum Malen brauchte, sodass er gleich mit der Arbeit beginnen konnte. Durch die Vorgabe des Kommandanten ergab sich die Komposition des Bildes praktisch von selbst, und er hätte nur einen Nachmittag gebraucht, um die Leinwand entsprechend vollzupinseln. Tatsächlich ließ er sich wesentlich mehr Zeit. Er wusste ja nicht, zu welchen Arbeiten man ihn einteilen würde, wenn er mit dem Gemälde fertig war. Jeden Morgen wurden zwei Gefangene abkommandiert, um die Jauchegrube unter dem Donnerbalken auszuheben. Typhusgefahr! Harry war noch kein einziges Mal an die Reihe gekommen, der Auftrag des Kommandanten hatte ihn davor bewahrt. Der Wiener Handelsvertreter Waluschek hatte sich bereits über die Vorzugsbehandlung des Herrn Künstlers beschwert.
Sechs Wochen konnte Harry die Sache hinauszögern. Dann platzte Capitaine Lelouche der Kragen, und er befahl kategorisch die sofortige Fertigstellung des Bildes.
»Meine Frau hat nächste Woche Geburtstag! Soll ich mit leeren Händen dastehen? Sie wissen doch, wie Frauen sind! Oder sind Sie etwa andersrum?«
»Gott behüte, mon capitaine ! Ich habe sogar in Frankreich geheiratet.«
»Na also! Dann beeilen Sie sich! Außerde m – wenn meiner Frau das Bild gefällt, vielleicht kann ich ja was für Sie tun. Haftverschonung aus humanitären Gründen, wenn Sie verstehe n …«
Noch am selben Abend erschien Harry mit dem fertigen Bild auf der Kommandantur. Um es gegen den Regen zu schützen, der seit dem Nachmittag niederging, hatte er es in eine Decke gehüllt. Auch konnte ein bisschen Spannung nicht schaden.
»Na endlich!« Voller Erwartung sprang Capitaine Lelouche von seinem Schreibtisch auf. »Spannen Sie mich nicht länger auf die Folter! Packen Sie es schon aus!«
Harry stellte das Bild auf einem Stuhl ab, und wie
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