Himmelsdiebe
rauskommen.«
»Das hättest du besser nicht getan. Weißt du denn nicht, dass sie Gift durch die Telegrafenleitungen schicken? Du solltest schnellstens zum Arzt.«
»Jetzt hör endlich auf mit dem Quatsch. Wir sind hier nicht in der Kunstakademie, sondern im Krieg.«
»Oh, haben sie Professor Bonenfant zum General befördert?«
»Findest du das witzig?«
Geraldine zeigte ihr ein zerknittertes Schreiben. Laura erkannte den Briefkopf sofort, seit der Kindheit war er ihr so vertraut wie der Anblick von Sonne und Mond. B.C.I. stand darauf, British Chemical Industries . »Eine Bürgschaft vom spanischen Repräsentanten deines Vaters. Damit kommen wir bis Seo de Urgel.«
»Mein Vater ist der Teufel. Er hat den Mann mit den Hundeaugen geschickt.«
»Welchen Mann mit welchen Hundeaugen?«
»Tu nicht so scheinheilig. Du hast ihn selber gesehen. Er saß bei mir am Tisch.«
»Wenn du nicht endlich mit diesem Schwachsinn aufhörst, fahre ich ohne dich.«
»Dann wünsche ich dir eine gute Reise. Ich werde auf keinen Fall nach Spanien fahren.«
»Und warum nicht, verdammt noch mal?«
Laura schaute auf die Puppe in ihrem Koffer. Sie war aus rotem Stoff und hatte grüne Wollhaare.
»Weil ich zurück muss nach Sainte-Odile.«
»Darf ich dich daran erinnern, dass wir von da gerade kommen?«
»Deine Überheblichkeit kannst du dir ruhig sparen. Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis.« Sie nahm die Puppe und gab ihr einen Kuss. »Wie konnte ich nur so verrückt sein, unser Bild dazulassen. Ich muss den Verstand verloren haben.«
»Du hast selbst gesagt, dass die Leinwand nicht ins Auto passt.«
»Das ist keine Entschuldigung. Es war Verrat. Und den kann ich nur wiedergutmachen, wenn ich nach Sainte-Odile zurückkehre. Wie soll Harry mich sonst finden?«
»Du hast doch einen Brief für ihn dagelassen. Außerdem können wir von Spanien aus Lulu anrufen. Wenn Harry nach Sainte-Odile kommt, sagt sie ihm, wo er uns finden kann. Spätestens in Lissabon seid ihr wieder zusammen.«
»So lange kann ich nicht warten. Wenn wir in Lissabon sind, weiß der Feind längst Bescheid. Oder stehst du auch schon unter seiner Kontrolle?«
»Laura, ich weiß deine Art von Humor sonst sehr zu schätzen. Aber jetzt ist keine Zeit für Scherze, hörst du? Unser Visum gilt nur fünf Tage. Danach kommen wir nicht mehr über die Grenze.«
»Soll ich deshalb Harry ein zweites Mal verraten? Er ist bereits auf dem Weg nach Sainte-Odile, das spüre ich genau. Wenn er mich dort nicht findet, wird er sterben vor Angst.«
»Sag mal, meinst du das alles tatsächlich im Ernst?«
Laura nickte. »Harry ist kein Verräter. Er würde niemals das Land ohne unser Bild verlassen.«
»Das wird mir jetzt zu blöd«, sagte Geraldine. Sie nahm einen Stapel Wäsche und legte ihn in den Koffer. »Was ist das eigentlich für eine Puppe?«, fragte sie. »Wo kommt die plötzlich her?«
»Die habe ich gestern im Dorf gekauft. Für das Baby.«
»Was für ein Baby?«
» Mein Baby. Unser Baby.«
Geraldine schnappte nach Luft. »D u – du bekommst ein Kind?«
»Ja, habe ich dir das nicht gesagt?«, erwiderte Laura so harmlos wie möglich.
Geraldine schüttelte ihren blonden Pagenkopf. »Im wievielten Monat bist du?«
»Sie haben Harry im September abgeholt, jetzt haben wir Juli.« Sie rechnete an den Fingern nach. »Also bin ich jetzt im zehnten Monat.«
Geraldine lachte laut auf.
»Was gibt es da zu lachen?«, fragte Laura erbost. »Nur weil mein Kind länger braucht als andere? Es ist ein besonderes Kind. Oder was glaubst du, warum ich keinen dicken Bauch habe? Mein Kind ist das Kind des Großen Zauberers!«
Während sie sprach, konnte sie sehen, wie das Gesicht ihrer Freundin sich veränderte. War das die Wirkung ihrer Macht? Das dumme Grinsen verschwand jedenfalls aus Geraldines Zügen. Laura registrierte es mit Genugtuung. Endlich hatte ihre Freundin begriffen.
»Verstehst du jetzt, warum ich unbedingt nach Sainte-Odile muss?«, fragte Laura.
»Meine arme, kleine Laura.« Geraldine nahm ihre Hand. »Ist ja schon gut, mein Schatz. Du hast mich überzeugt. Ich bringe dich zurück nach Sainte-Odile.«
Laura schaute ihre Freundin prüfend an. »Versprochen?«
Geraldine nickte. »Versprochen! Ich tu, was du willst. Ich muss vorher nur noch mal kurz telefonieren. Dann brechen wir auf.«
11
Es war kurz nach Mitternacht, als Harry Sainte-Odile erreichte.
»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll«, sagte er und drückte Carl Altstrass die
Weitere Kostenlose Bücher