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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Regen ein. Tatjana fuhr mich und Dominic nach Hause und rauchte auf dem Weg eine Zigarette nach der anderen. Als wir aus ihrem Kleintransporter stiegen, rochen wir wie die Aschenbecher im Kartenhaus. Ich musste mir von meinem Vater die Frage gefallen lassen, seit wann ich rauchen würde, und verzog mich beleidigt in mein Zimmer.
    Marlon war nicht zu erreichen. Obwohl er mir gesagt hatte, dass er oft vergaß, sein Handy aufzuladen, und noch häufiger, es bei sich zu tragen, machte ich mir Sorgen. Blitz und Donner schufen eine passende Kulisse für etliche Horrorszenarien, in denen Angst sowie Gewalt die Hauptrollen spielten und für die Maske nichts als Blut benötigt wurde.
    Am späten Abend klingelte mein Handy. Das Display zeigte eine mir unbekannte Nummer an. Doch als ich schließlich ranging, meldete sich niemand und das machte mich nervös. Der Anrufer legte auf und ich schimpfte leise in mich hinein, weil ich mir von jemandem, der sich nur verwählt hatte, so einen Schrecken einjagen ließ. Ich bedauerte, die Nummern von Corbin und Emma nicht zu kennen, und beglückwünschte mich gleich darauf dafür. Sonst hätte ich noch bei ihnen angerufen und nach Marlon gefragt. Das war doch albern. Ich steigerte mich grundlos in etwas hinein. So ein Mädchen, das ihrem Freund ständig hinterhertelefoniert, wollte ich keinesfalls sein, auch wenn mein Freund besonderen Umständen ausgeliefert war. Meine Ängste waren mein Problem und sollten es auch bleiben.
    Beim Frühstück versuchte ich erneut, Marlon anzurufen. Mailbox. Ich suchte nach Gründen, warum er sich nicht bei mir meldete. Vielleicht war er im Gartenhaus. Das wäre eine Erklärung – dort gab es keinen Strom, seinen altersschwachen Akku konnte er dort nicht aufladen. Ich beschloss nachzusehen.
    Als ich die Kleingartenanlage betrat, bereute ich es sofort, keine Gummistiefel zu besitzen. Nach der Gewitternacht war der Boden aufgeweicht und ich versank tief im Matsch, der meine Schuhe bei jedem Schritt erst nach heftigem Ziehen freigab.
    In Marlons Garten war alles ruhig, nur vom Apfelbaum fallende Tropfen trommelten auf das Hüttendach, wenn der Wind sie aus den Zweigen schüttelte. Wie ich vermutet hatte, war das Gartenhäuschen leer und jeder Quadratzentimeter durchnässt. Ich seufzte. Dieses Wasserrattenloch wieder bewohnbar zu machen, stank nach einer Menge Arbeit. Nichts wies darauf hin, dass Marlon seit Sonntagabend hier gewesen war. Brijans Geschichte lag, von der Thermoskanne beschwert, auf dem Tisch. Die Worte über die Meereswesen liefen vor lauter Feuchtigkeit ineinander. Unsere Tassen standen noch an der Stelle, wo er sie abgestellt hatte.
    Obwohl ich Erleichterung fühlte, weil er im trockenen, sicheren Drachenhaus geblieben war, frustrierte es mich auch. Ich wollte ihn sehen. Ob ich unangemeldet in ihrer Wohnung auftauchen durfte oder damit Corbin und Emma verärgern würde, war mir allerdings nicht klar. Es fiel mir so schwer, die beiden einzuschätzen.
    Ein Geräusch lenkte mich ab, ein Krächzen hinter der Hütte. Die Raben!
    Ich ging hinaus, umrundete das Gartenhaus und lugte durch das Dornengestrüpp. Dort saßen sie, drei Raben an der Zahl, und wühlten in der Erde herum. Sie wirkten aufgebracht, plusterten das Gefieder auf und zischten sich gegenseitig an. Einer hackte mit dem Schnabel nach einem anderen, fischte diesem einen länglichen Gegenstand aus der Klaue und floh damit. Ich musste mich weiter über die Hecke beugen, um zu erkennen, worum sie zankten. Als sie mich sahen, hüpfte Pinsel krakeelend davon. Aus der vom Regen aufgetriebenen Erde ragte etwas. Die Form war eigenartig, erinnerte an ein kleines Gerippe.
    Mir wurde übel, als ich graues Fell sowie Reste von verwesendem Fleisch erkannte. Einer der Raben pickte hinein, riss ein Stück heraus und suchte das Weite.
    Mein Herz jagte. Das also hatte Marlon hier mit der Schaufel getan. Er hatte ein Grab ausgehoben, in seiner Eile aber nicht tief genug.
    Ich stand vor dem halb verscharrten Kadaver einer Katze. Corinnas Katze. Cat Stevens.
    Mir war egal, ob ich jemandem auf die Füße trat. Ich musste mit Marlon reden. Mit dem toten Stevens hatte ich einen guten Grund gefunden, dies sofort zu tun, ohne zu warten, bis er endlich bei mir auftauchte. Herrgott, er wusste doch, dass ich nach einer Katze suchte! Warum hatte er geschwiegen? Warum war die Katze tot und in seinem Garten

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