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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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darf im Gegenzug nicht erfahren, wo du bist?«
    Er sah mich ernst an und fragte dann ganz behutsam: »Möchtest du das denn wissen?« Sein Tonfall klang, als sollte ich besser Nein sagen, doch ich nickte.
    Er schlug die Wimpern nieder, als hätte ich soeben sein Todesurteil ausgesprochen. Oder mein eigenes? Ich hörte Oliviers Warnung in meinem Kopf, ich würde meine Seele verlieren …
    Doch als Marlon wieder aufsah, schien alles wieder normal. »Darf ich dich zum Frühstück einladen?«
    Ich tastete über meine verschwitzte Wange. Etwas Ruß haftete an meinen Fingerspitzen. »Ich stinke nach Rauch und Petroleum.«
    Â»Dich stört das nicht. Mich noch weniger.«
    Ich nahm das Kopftuch ab und öffnete meine Haare. Durch die Feuchtigkeit hatten sie vom Haargummi einen Knick abbekommen und standen mir auf Höhe der Ohrläppchen vom Kopf ab. Ich sah definitiv abscheulich aus, das musste er doch einsehen.
    Â»Bitte«, sagte er leise und zeigte ein halbes Lächeln. »Oder hast du keinen Hunger?«
    Leider habe ich immer Hunger und ein weiteres Mal wollte ich ihn nicht anlügen, also blieb mir keine Wahl.
    Marlons Auto stand ganz in der Nähe. Wir verstauten meine Sachen im Kofferraum und fuhren los. Ich weiß nicht, womit ich gerechnet hatte. Mit McDonald’s vielleicht, McDrive, zwei Cheeseburger und eine Cola im Auto. Stattdessen hielt er vor einem schicken Café im einzigen noblen Viertel der Stadt. Deckenhohe Fenster, dunkle Holzböden, mit weißem Leder gepolsterte Stühle. Ein Glas Saft war hier bestimmt so teuer wie anderswo eine ganze Kiste Apfelsinen. Und ich hatte keinen Cent bei mir. Am liebsten wäre ich gleich wieder umgekehrt, aber Marlon bewegte sich trotz der Grasflecken an der Kehrseite seiner Jeans so selbstverständlich zwischen den langbeinigen Tischen, dass ich die Zähne zusammenbiss und ihm mit gesenktem Kopf folgte. Er steuerte einen Tisch an und grüßte die Kellnerin, ein Mädchen in unserem Alter, mit einer lässigen Handbewegung. Sie strahlte, als hätte er hinter ihren Augen ein Licht angezündet, und war in null Komma nix bei uns.
    Â»Frühstücksbuffet und ein großer Kaffee wie immer?«, zwitscherte sie Marlon zu.
    Hallo? Ich mochte riechen wie Paulinchen nach ihren Zündholzexperimenten – aber ich war immerhin auch noch anwesend.
    Â»Frühstück für zwei.« Marlon sah nur mich an. Das gefiel mir. Er zog eine Braue hoch und ich grinste zurück.
    Â»Und was trinkst du?« Die Kellnerin stemmte ungeduldig eine Hand in die Hüfte.
    Â»Einen Orangensaft, bitte.«
    Sie musterte meine Hose und ich folgte ihrem Blick. Zum Glück hatte ich wenigstens die Hosenbeine wieder aus den Socken genommen; sie stieß sich offenbar nur an den Petroleumsprenkeln.
    Â»Frisch gepresst?«
    Wo denken Sie hin! Bitte das Billigste, was Sie haben. »Gerne.«
    Sie rauschte ab.
    Meine Hände begannen mit einem Mal zu zitterm. Das teure Leder unter meiner billigen Jeans, das polierte Holz unter meinen ausgetretenen Sneakern, selbst die Kerze auf dem Tisch – all das kam aus einer Welt, deren Regeln ich nicht kannte. Ich passte nicht hierher. Ebenso wenig wie Marlon. Wobei …
    Ich betrachtete ihn genauer, während er mich erneut musterte. Hey, wenn er mich anstarren durfte, dann sollte ich das gleiche Recht haben, oder nicht? Passte er tatsächlich nicht hierher? Heute trug er kein abgewetztes T-Shirt, sondern ein kurzärmliges graues Hemd. Seine Lederschuhe waren, wie meine Treter, nicht ganz sauber, hatten aber vermutlich das Zehnfache gekostet. Und dann war da schließlich noch das Auto, der Audi TT. All das wollte nicht dazu passen, dass er in Baracken und Abrisshäusern wohnte.
    Er stand auf. »Komm, gehen wir uns was zu essen holen. Dein Magenknurren macht mir langsam Angst.«
    Wieder folgte ich ihm schweigend, diesmal auch ein wenig beschämt. Wir füllten unsere Teller mit Brötchen, Quark, Marmelade und Obst. Als wir an unseren Tisch zurückkamen, standen die Getränke schon bereit. Ich begann zu essen, froh, nicht reden zu müssen, weil ich nicht wusste, worüber.
    Marlon ignorierte seinen Teller. »Gefällt es dir hier nicht?«
    Â»Schon«, antwortete ich mit vollem Mund und schluckte schwer an meinem Brötchen. »Es ist nur so, dass es hier verdammt teuer ist, richtig?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich lade dich

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