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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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ich weiter Köstlichkeiten in mich hinein, was Marlon zu amüsieren schien.
    Â»Dich einzuladen macht wirklich Spaß.« Er schob seinen Teller von sich. »Du genießt das Essen wenigstens. Die meisten Mädchen zieren sich bei jedem Bissen und man hat das Gefühl, sie mit einer Einladung zum Essen geradewegs zum Schafott zu führen.« Er selbst hatte sein erstes Käsebrötchen nicht mal vollständig aufgegessen, während ich zwei Brötchen, ein Croissant, zwei Berge Rührei, ein gefühltes Pfund fetttriefenden Speck sowie ein paar winzige, fluffig weiche Pfannkuchen mit Sirup und eine Schale voll Obstsalat verputzt hatte. Die Bedienung zog schon verächtlich die Augenbrauen hoch, wenn sie an unserem Tisch vorbeitänzelte.
    Â»Die würden sich auch nicht vor dem Essen zieren«, antwortete ich und wischte mit einem Stück Brot über den Teller, »wenn man sie Hungerhaken, Spaghetti oder Knochen nennen würde.«
    Â»Nennt dich jemand so?« Skeptisch glitt sein Blick von meinem Gesicht über meine Brust bis zur Tischkante und wieder zurück.
    Zuerst wollte ich ganz selbstverständlich Ja sagen. Doch dann überlegte ich, wann ich tatsächlich zuletzt so genannt worden war. Mit dreizehn oder vierzehn. Dürr konnte man mich tatsächlich nicht mehr nennen. Zierlich vielleicht, mit zu langen Armen im Verhältnis zum Rest meines Körpers und mit zu wenig Oberweite. Aber kein Knochen, schon lange nicht mehr. Die Unzufriedenheit mit meiner Figur hatte ich allerdings nie ganz abgelegt, selbst Dom nannte mich noch Nono. Das kam nicht von Noa, sondern von: No, no – no left tit, no right tit. Wir hatten schon in der Grundschule herausgefunden, dass andere Kids uns keine fiesen Spitznamen gaben, wenn wir das selbst übernahmen. An manchen Dingen hielt man eben fest, auch wenn sie nicht mehr richtig passten.
    Â»Eigentlich ist es so, dass Nervosität mich hungrig macht«, gestand ich, aber selbst das war nur die halbe Wahrheit. »Um ehrlich zu sein, macht mich alles hungrig. Ich bin die Reinkarnation eines Vielfraßes. Warum grinst du jetzt?«
    Â»Weil ich Grund zur Freude habe. Du hast gesagt, du bist nervös. Ich bilde mir ein, dass es etwas mit mir zu tun hat.«
    Darauf erwiderte ich nichts.
    Ich hatte die Vorstellung, jemandem einfach nur in die Augen zu sehen, immer als sehr albern empfunden. Was gab es in Augen schon zu sehen? Was immer es auch war – Marlon schien es wichtig zu sein. Sowohl im Café als auch später im Wagen vor unserem Haus sah er mich eine gefühlte Ewigkeit lang an. Sein Blick glitt über meine Haut, berührte mich irgendwo darunter und erforschte meine Gesichtszüge so intensiv, als müsse er sich jede Kleinigkeit genauestens einprägen. Seine Augen hielten meine gefangen, sodass Wegsehen fast körperlich wehtat. Als es mir zu peinlich wurde, schloss ich die Lider, woraufhin Marlon unterdrückt seufzte – glaubte ich zumindest. Er schaute mich immer noch an, das spürte ich. Und auch wenn es eitel klingt, muss ich gestehen, dass es mir gefiel. Etwas strich über meinen Nasenrücken und ich öffnete die Augen. Blinzelte. Wir lächelten beide auf eine seltsam erschöpfte Art. Erschöpft vom gegenseitigen Anstarren.
    Â»Ich wüsste gerne, wie die Geschichte von dem Jungen, der ins Meer gegangen ist, weitergeht«, sagte ich.
    Marlons Lächeln bekam einen Riss. »Gut«, antwortete er ein wenig atemlos. »Treffen wir uns heute Nachmittag? Bis dahin habe ich den zweiten Teil aufgeschrieben.«
    Â»Das wäre schön. Allerdings habe ich meiner Oma versprochen, sie zu besuchen. Aber du könntest mitkommen.«
    Nun war ich es, die plötzliches Misstrauen in seinen Augen erkannte.
    Â»Sie ist echt nett und cool«, meinte ich lapidar und spürte doch, dass ich zu weit gegangen war. Dennoch wollte ich jetzt keinen Rückzieher machen. »Oma ist ganz locker drauf, du wirst sehen. Wir müssen auch nicht lange bleiben.«
    Er sagte zu, wenn auch zögerlich, und wir verabredeten uns für halb drei auf dem Spielplatz. Zum Abschied beugte er sich zu mir. Ich hatte einen Kuss erwartet – oder erhofft? –, aber seine Nasenspitze streifte lediglich meine Wange. Hauchzart. Eine winzige Zärtlichkeit, die sich wie ein Brandeisen in mein Fleisch grub. Sie ließ meine Haut kribbeln und meine Knie zittern, als ich ausstieg und die letzten Meter

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