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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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augenblicklich zu bereuen. Er schien kurz davor, nach draußen zu gehen und Bastien eine Abreibung zu verpassen. Ich hätte besser etwas von einem Exfreund erzählt.
    Â»Es ist okay so.« Ich seufzte. »Warum eine Konfrontation heraufbeschwören, bei der man nur verlieren kann?«
    Â»Weil es sonst dein Stolz ist, den du verlierst! Hat dir allen Ernstes bisher niemand geholfen, dich gegen diesen Affen zu wehren?«
    Â»Hör auf damit.« Entschieden hob ich das Kinn. »Ich brauche keine Hilfe, von niemandem, weil ich keine Probleme habe. Er ist bloß ein armer Irrer, der sich stark fühlt, wenn er andere fertigmacht. Mir kann er nichts, ich steh da drüber.«
    Marlon nahm einen Schluck von seiner Cola, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Indem du wegläufst.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Das stört mich nicht.«
    Sein Glas landete so schwungvoll auf dem Tisch, dass ein wenig Cola über den Rand schwappte, obwohl es nur noch halb voll war. »Das kann doch nicht dein Ernst sein, Noa!«
    Ã„ußerlich blieb ich gelassen, innerlich brodelte es in mir. Marlon musste meine Methode akzeptieren, denn wenn er es nicht tat, würde sie in sich zusammenfallen. Das, worauf ich baute, war kein Kartenhaus. Wind war keine Gefahr. Marlon war allerdings kein Wind, er war eine Abrissbirne.
    Â»Indem ich Bastien nicht ernst nehme und mir nichts aus seinem Mobbing mache, kann er mir nichts anhaben. Ein Opfer leidet unter einer Sache. Ich leide nicht, es ist mir vollkommen egal. Also bin ich auch kein Opfer. Verstehst du?«
    Okay, ich hatte verloren. An Marlons Gesicht sah ich, dass er rein gar nichts verstand.
    Â»Du nimmst die Schikanen hin und machst dir nichts draus, nur um dich nicht in der Opferrolle sehen zu müssen?«
    Â»Genau.« Ich nickte entschieden.
    Er trank einen weiteren Schluck Cola. Überlegte. Trank. Sah mich an. Überlegte länger. Dann fragte er ruhig: »Warum?«
    Mein Blick schweifte zu den Männern an den Tischen, die sich an ihrem Bier festhielten, die Wiederholung eines Fußballspiels ansahen, das Rauchverbot mit ihren Zigaretten verhöhnten oder ihre letzten Münzen in den einarmigen Banditen steckten. Ein paar waren kaum älter als Marlon. Die junge Frau mit dem Baby auf der linken Hüfte und dem Bier in der rechten Hand war vermutlich noch jünger.
    Â»Man wird in dieser Gegend schnell zum Opfer«, sagte ich leise. »Sieh sie doch an. Die Leute werden wie Bad Boy Basti oder so.« Ich deutete zu den Tischen. »Still und grau und irgendwie … verlieren sie sich alle in ihrer Hoffnungslosigkeit. Sie passen sich an, werden selbst zu dem Elend, in dem sie leben. Ich habe beschlossen, dass mir das nicht passieren wird. Eher werde ich es hinnehmen und mich darüber amüsieren, egal was kommt. Wenn ich im Papiercontainer lande, dann lache ich darüber, statt zu heulen. Ich bin kein Opfer, verstehst du? Ich bin nicht wie die hier.«
    Als ich Marlon wieder ansah, klebte sein Blick auf dem verkratzten Holz der Theke. Er wirkte nachdenklich und niedergeschlagen und es fühlte sich an, als wäre er am liebsten sehr weit von mir entfernt.
    Â»Marlon?«
    Â»Ich verstehe«, sagte er gedehnt. Und dann fügte er so leise hinzu, dass ich annahm, es wäre nicht für meine Ohren bestimmt: »Gut sogar, viel zu gut, Magpie.«
    Wir verließen das Kartenhaus kurz darauf. Marlon ging nun schneller, mit seinen Gedanken schien er ganz woanders zu sein. Als wir am Spielplatz vorbeikamen, stemmte ich mich auf die Mauer und setzte mich rittlings darauf. Deutlicher konnte ich ihn kaum auffordern, endlich mit mir zu reden. Er ließ einen Meter zwischen uns, lehnte die Unterarme gegen den Stein und betrachtete seine geballten Fäuste. Ich wartete, doch mit jedem Atemzug sog ich weitere Ungeduld ein, mit jedem Ausatmen verließ mich etwas Verständnis.
    Â»Die Sache beginnt mich zu nerven«, sagte er schließlich. Es klang schroff, fast wäre ich zusammengezuckt.
    Â»Stimmt«, erwiderte ich verhalten. All seine kryptischen Andeutungen, seine Versprechungen, mir eine Erklärung zu liefern, um mich dann ratloser zurückzulassen als zuvor – all das sollte mir in höchstem Maße auf die Nerven gehen. Fakt war allerdings, dass ich das Rätselraten in gewisser Weise genoss, damit hatte Marlon recht gehabt. In meiner Fantasie trudelten die absurdesten Ideen durcheinander. Vampire,

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