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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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als wäre ich ein kleines Mädchen. »Es geht deiner Großmutter besser«, sagte sie und lächelte. Das sollte wohl beruhigend wirken, aber es ging gehörig in die Hose. »Die Ärztin hat ihr etwas zur Beruhigung gegeben, sie schläft jetzt. Ihr Kreislauf ist stabil, so weit ist alles in Ordnung. Es war kein Schlaganfall, hörst du? Sie hat sich nur sehr erschreckt. Nichts Schlimmes. Kannst du dir vorstellen, was sie so aufgeregt hat?«
    Ich sah, wie sie Marlon musterte, spürte, wie er sich versteifte, und schüttelte trotzig den Kopf.
    Â»Mit dem Alter werden die Menschen oft sonderbar. Früher war eine Beziehung zu einem Ausländer noch nicht so selbstverständlich wie heute. Deine Oma macht sich vermutlich Sorgen wegen der unterschiedlichen Kulturen.«
    Ich warf Marlon einen Seitenblick zu. Okay, man konnte ihn durchaus für einen Südländer halten, aber das war es gewiss nicht, was Oma derart aus der Fassung gebracht hatte.
    Ich durfte noch einmal zu ihr, aber die Pflegerin hatte recht behalten, Oma schlief. Ich streichelte ihre Hand, flüsterte eine Entschuldigung und schämte mich erneut für meine Erleichterung, als ich das Zimmer wieder verlassen konnte.
    Schweigend gingen wir zum Auto. Die unausgesprochene Frage hielt uns auf Abstand.
    Marlon schien zu wissen, was Oma so aufgeregt hatte. Doch ich wagte nicht nachzufragen. Sie hatte mich eindeutig vor ihm gewarnt, ebenso wie dieser Olivier. Aber Marlon war es, der meine Angst auffing und vergessen machte. Vielleicht war es dumm, erneut in sein Auto zu steigen. Doch ihn fortzuschicken, fürchtete ich mehr. Und Oma kannte ihn schließlich nicht.
    Du denn?, stichelte ein kleiner, misstrauischer Teil in meinem Herzen.
    Am Wagen angekommen, zögerte ich. Wir standen uns gegenüber, die Karosse zwischen uns, und sahen uns über das Dach hinweg an. Die Luft über dem schwarzen Lack flimmerte vor Hitze, was Marlon unwirklich erscheinen ließ. Wie eine Geistergestalt.
    Die Außenseite der Beifahrertür war völlig zerkratzt. Ich fuhr mit den Fingern über die Scharten im Lack. Metallpartikel und kleine Splitter blieben an meiner Haut haften. »Du solltest die Tür machen lassen«, meinte ich schwach. »Das rostet sonst.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ist nicht schlimm. Ich mag die Kratzer.« Er wusste so gut wie ich, dass ich auswich, und sah mich weiterhin abwartend an, bis ich den Kopf wieder hob. Ich konnte seine unausgesprochene Bitte regelrecht hören: Sag es.
    Â»Was meinte meine Oma?«, flüsterte ich. Mein Herz schlug so stark, dass mir schwindlig wurde.
    Â»Dass ich etwas an mir habe, das anders ist«, antwortete Marlon. Ein Krächzen ließ ihn herumfahren.
    Auf einer nahen Mülltonne hockte ein Rabe und sah genau in unsere Richtung. Zuerst glaubte ich, Suzie zu erkennen, aber das war ein alberner Gedanke. Was sollte sie hier?
    Â»Etwas Gefährliches?«, fragte ich weiter und beachtete den Raben nicht länger.
    Marlon drehte den Kopf nur zögernd wieder in meine Richtung. »Unter Umständen, ja.«
    Â»Gefährlich für mich?«
    Â»Unter Umständen, ja«, wiederholte er.
    Â»Umstände …?«
    Â»â€¦Â die ich zu verhindern weiß.« Er klang entschlossen. »Steig ein, ich fahr dich nach Hause.«
    Ich blieb stehen, wagte nicht, mich zu rühren. Ich war der Lösung ganz nah und eine falsche Bewegung konnte sie vertreiben. »Erklärst du es mir?«
    Marlon rieb sich mit einer Hand übers Gesicht, mit der anderen hielt er sich am Auto fest. »Ich … ich … muss bald gehen und es wäre fatal, wenn du … wenn wir …« Er stieß einen wütenden Laut aus, einen wortlosen Fluch, der mir ein wenig Angst machte.
    Â»Wohin musst du gehen?«, wollte ich wissen, aber er schüttelte den Kopf.
    Â»Steig ein«, wiederholte er harsch. »Ich muss erst nachdenken.«
    Wir fuhren eine Weile schweigsam, seine Augen waren starr auf die Straße gerichtet, meine aufs Armaturenbrett. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und versuchte, die Stimmung etwas aufzulockern.
    Â»Heute Morgen, in diesem Café, kam ich mir fast genauso fehl am Platz vor wie du dir eben im Altenheim. Aber vielleicht schaffen wir es ja mal, uns irgendwo zu treffen, wo wir uns beide wohlfühlen. Was denkst du, wollen wir es noch mal am Kanal versuchen? Oder in deiner Hütte?«
    Â»Du hast dich dort

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