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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Luft auflösen, wenn ich ihn berührte.
    Â»Ich fürchte, ich komm nicht länger drum herum, dir mehr zu verraten.«
    Â»Du hast versprochen, mir alles zu sagen.«
    Â»Nein, das stimmt nicht. Ich habe versprochen, dir mehr zu sagen, als du wissen willst.«
    Mir entwich ein Seufzen. Es würde schwierig mit ihm werden, sehr schwierig. »Fangen wir mit etwas an, das ich definitiv wissen will. Corbin sagte«, ich spürte, wie ich noch röter wurde, »du würdest mich … brauchen. Was meinte er damit?«
    Marlon streckte seine Hand aus, als wollte er nach meiner greifen, überlegte es sich dann aber anders und grub stattdessen seine Finger ins Bettlaken. »Du hast es gehört. Wir müssen fortgehen. Jemanden zu haben, der einem wichtig ist, erhöht die Chance, dass man zurückkehrt.«
    Â»Aha. Corbin wollte also, dass du Gefühle für mich entwickelst, damit du hierher zurückkommen willst.« Das gefiel mir nicht, klang falsch, aber er nickte.
    Â»So ungefähr. Damit ich zurückkommen kann . Mit Wollen hat das nichts zu tun. Und Corbin dachte auch erst so, als von meiner Seite aus bereits alles entschieden war, glaub also nicht, ich würde irgendetwas tun, nur weil er es will.«
    Wollte er mir damit sagen, dass er mich gernhatte? Sich gar in mich verliebt hatte? Direkte Worte waren nicht sein Ding, das hatte ich längst eingesehen, aber ohne konkrete Anhaltspunkte fühlte ich mich wie auf dünnem Eis und wagte selbst keinen Schritt nach vorne.
    Mein peinlich lautes Magenknurren brach die Stille, die sich zwischen uns ausgebreitet hatte. Marlon packte die Gelegenheit beim Schopf, sprang auf und versprach, mir etwas zu essen zu organisieren. Weg war er. Im Stillen schimpfte ich ihn einen Feigling, weil er schon wieder unser Gespräch abwürgte.
    Ich stand auf und machte ein paar wacklige Schritte, bis mein Blick auf den Karton fiel, den Marlon eben als Schreibunterlage verwendet hatte. Schon beim Gedanken daran, in seinen Sachen zu wühlen, schämte ich mich. Andererseits hatten sie mir Alkohol aufgedrängt und der Schwips ließ nicht nur meine Hemmungen dahinschmelzen, er war auch eine gute Entschuldigung. Also öffnete ich den Karton und warf einen Blick, nur einen ganz kleinen, auf die obenauf liegenden Blätter.
    Das Erste, was ich sah, war ein Tunnel. Marlon hatte einen langen, runden Schacht in die Düsternis gezeichnet, an dessen Ende etwas glitzerte. Das viel zitierte Licht am Ende des Tunnels? Nein. Zunächst dachte ich an einen U-Bahn-Schacht, aber dann erkannte ich, was es wirklich war. Es war der direkte Blick in den Lauf einer Pistole, und das, was da im Dunkeln glitzerte, war die Kugel. Mir wurde schwindelig. Ich schob das Blatt zur Seite. Was darunterlag, kannte ich bereits. Es war die Geschichte von Brijan und den Meereswesen. Der Teil, den Marlon weggeworfen und den ich trotzdem gelesen hatte.
    Ich hörte Schritte und klappte den Karton rasch wieder zu. An der Tür, die – wie passend – den Darmausgang des Drachen darstellte, klopfte es.
    Â»Du klopfst an, wenn du dein eigenes Zimmer betrittst?«, begrüßte ich Marlon. Es war nicht böse gemeint, aber ich sah, dass meine Worte ihn getroffen hatten – der Schatten über seinem Gesicht wurde dunkler.
    Â»Es tut mir leid.« Mit direkten Worten mochte er seine Schwierigkeiten haben, aber er wurde immer besser darin, mir wortlos zu vermitteln, was er mir nicht sagen konnte. Er meinte die Entführung und alles, was in dieser Zeit geschehen war. Die Zeit, in der er nicht angeklopft und stattdessen meine Privatsphäre mit Fäusten geschlagen hatte.
    Ich wollte erwidern, dass es okay war – aber das war es nicht. Noch lange nicht. Trotzdem lächelte ich schmal, als Zeichen, dass es irgendwann vielleicht okay sein würde.
    Â»Ich hoffe, du magst Thunfischpizza?« Er ließ sich vor dem Bett nieder. »Es war nichts anderes mehr da, unser Haushaltsplan ist noch etwas unorganisiert. Um nicht zu sagen, nicht existent.«
    Â»Pizza ist immer gut.« Ich lehnte mich an die Fensterbank. Die Sonne wärmte mir Schultern und Rücken, ich teilte meine Haare, damit die Strahlen auch meinen verkrampften Nacken erreichten.
    Marlon räusperte sich. »Als du geschlafen hast, habe ich die Geschichte weitergeschrieben.«
    Â»Das musst du nicht«, erwiderte ich, doch ehe ich ausreden konnte, unterbrach Marlon mich.
    Â»Doch.

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