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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Das ist mir wichtig, wirklich. Ich weiß, du hast Fragen, aber die kann ich dir erst beantworten, wenn du … wenn du …«
    Die Versuchung, ihn weitersprechen zu lassen, in der Hoffnung, er würde mir die Puzzleteile geben, die ich brauchte, um das Rätsel zu lösen, war gewaltig. Aber es schmerzte mich, ihn hilflos mit den Sätzen kämpfen zu sehen. Der Schatten über seinem Gesicht wurde immer dichter, als würde er bald zu einer Maske werden, die ich nicht mehr durchbrechen konnte.
    Â»Das musst du nicht, Marlon, weil ich das, was du weggeworfen hast, schon gelesen habe.«
    Erstaunt sah er zu mir auf.
    Â»Du bist nicht der Einzige, der sich mit Stalking versucht«, fügte ich wie leichthin hinzu. »Ich habe dir nachgesehen und die Geschichte aus dem Müll genommen.« Und soll ich dir was sagen? Ich habe sogar in deiner Hütte herumgewühlt.Da staunst du, was? »Verrate mir, warum du mich an diesem Tag so plötzlich abserviert hast.«
    Â»Ist das nicht offensichtlich?« Er verbarg die Bitterkeit gut, doch in seinen Augenwinkeln konnte ich sie trotzdem erahnen. »Du hast an diesem Nachmittag gesagt, dass du kein Opfer sein willst. Aber jeder, der mir nahesteht, ist ein Opfer. Die Huntsmen haben dich auf dem Friedhof beobachtet und ins Fadenkreuz genommen. Reicht dir das noch nicht? Ich wollte dich nicht in einen Krieg hineinziehen. Naiv, wie ich war, dachte ich, es verhindern zu können. Ich bin ein Idiot. Es war längst zu spät.« Er sah mich auf eine Art an, die mich bereuen ließ, dass ich das Fenster im Rücken hatte und nicht weiter vor ihm zurückweichen konnte. Ich erinnerte mich bestens an die Angst, die ich vor ihm gehabt hatte. Seine Augen waren kalt und brutal. »Du warst bereits mein Opfer.«
    Â»Das sehe ich anders.« Mein Einspruch war zu schwach.
    Marlon schüttelte den Kopf, ließ ihn dann nach vorne sinken. »Damit ist es nicht real, denkst du. Aber das sind Träumereien. Du bist, was du bist. Du kannst es nicht ändern.«
    Â»Was bist du denn?«
    Die Frage hätte laut kommen müssen. Zornig. Sie hätte ihn schütteln müssen, erschüttern! Wie konnte er mir nur Träumereien vorwerfen? Glaubte er, ich lebte im Regenbogenland, wo rosa Einhörner sich vom Sonnenschein ernährten und bunte Schmetterlinge furzten? Meine Frage hätte ihm ins Gesicht peitschen, ihn wütend machen und die Wahrheit aus ihm herausschlagen müssen. Doch mir gelang nur ein Wispern.
    Â»Verloren«, antwortete er. Mehr nicht.
    Schwer zu sagen, wie lange das Wort hilflos in der Luft hing. Irgendwann stand er auf, murmelte etwas von Pizza und bedeutete mir, ihm zu folgen.
    Ich nahm im Wohnzimmer Platz, wo der Fernseher noch lief, obwohl niemand mehr im Raum war. Eine schrille Zeichentrickserie in Neonfarben, die mir Kopfschmerzen bereiten würde. Ich schaltete ab. Aus einem Nebenraum hörte ich Gitarrenmusik, das war vermutlich Corbin. Ich achtete erst auf die Töne, nachdem Marlon gegen die Wand gehämmert und »Hör endlich auf damit, du Missgeburt!« über den Korridor gebrüllt hatte. Ich zuckte zusammen. Solche derben Beschimpfungen passten nicht zu ihm.
    Corbin spielte weiter. Johnny B. von The Hooters. Das Lied klang nach Vorwurf. Vermutlich war Marlon Johnny B. und das Miststück mit dem giftigen Kuss, das war ich.
    Marlon kam zurück. Er stellte die Pizza auf den Tisch, schaltete den Fernseher wieder ein, sodass wir die Gitarre nicht mehr hören konnten, und setzte sich zu mir; in seinen Augen die übliche, von Misstrauen verschleierte Bitte um Entschuldigung. Ich hatte seit dem Frühstück nichts gegessen, war hungrig, aber bekam kaum etwas runter. Wir saßen uns gegenüber, still und bewegungslos, kein Meter zwischen uns. Und doch schien es, als würden wir auseinanderdriften. Als wären immer weniger Details im Gesicht des anderen zu erkennen, als würden unsere Silhouetten immer kleiner werden.
    Â»Warum warst du auf dem Friedhof?«, fragte ich viel forscher als beabsichtigt. »Du hast gesagt, Oliviers Leute hätten dir aufgelauert, du scheinst also häufiger dort zu sein. Warum?«
    Er legte sein Pizzastück zurück auf den Teller, ohne hineingebissen zu haben. »Das nicht.«
    Ich hob die Augenbrauen.
    Â»Du kannst mich alles fragen, aber es gibt ein paar Dinge, die nur mich etwas angehen.«
    Um nicht flapsig zu reagieren, presste ich die

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