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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Fußmatte.
    Â»Ihre Katze ist weggelaufen«, fasste ich den Inhalt zusammen, während Papa aufschloss. »Sie bittet uns, auf unserem Balkon nachzusehen, ob Stevens zu uns rübergeklettert ist.«
    Â»Stevens? Wer nennt seine Katze denn …« Er stutzte, stellte meinen Trolley vor meine Zimmertür und lachte. »Ach so. Cat Stevens, ja? Die Frau ist mir sympathisch.«
    Â»Und sehr hübsch«, fügte ich hinzu. Das war sie wirklich, mit ihrem wildlockigen feuerroten Haar.
    Auf unserem Balkon fand ich leider keine Spur der Katze, aber mein Vater beschloss, später bei Frau Martin zu klingeln, um ihr anzubieten, sie zum Tierheim zu fahren. Ich hoffte, dass Stevens dort war, und freute mich insgeheim, dass Papa unserer Nachbarin helfen wollte. Seit der Scheidung hatte er sich nicht ein einziges Mal mit einer Frau getroffen. Er hing noch an Mama, obwohl selbst ein Blinder erkannte, dass zwischen den beiden ein Abgrund von der Größe des Marianengrabens klaffte. Nicht dass er sich beklagte, allein zu sein, aber mich bedrückte die Vorstellung, er könnte es auf Dauer bleiben.
    Â»Bekommst du deine Sachen allein ausgepackt?«, wollte er von mir wissen.
    Nein, ich war ein hilfloser Invalide und brauchte eine persönliche Pflegekraft! Ich behielt meinen Sarkasmus für mich und strafte ihn mit einem Blick, der dasselbe aussagte. Dann ging ich in mein Zimmer.
    Endlich wieder zu Hause. Meine Rumpelkammer – so nannte es Papa – war klein und so vollgestellt, dass ein Umwerfen eines einzelnen Gegenstandes meist eine Kettenreaktion auslöste, die an den Domino Day erinnerte. Aber außer mir betrat auch kaum jemand meine vier Wände und ich war geschickt genug, nirgendwo anzuecken. Ich stieß meine selbst gemachten Trainingspoi an, sodass die Tennisbälle am Schrank hin- und herschwangen, und seufzte. Zwei ganze Wochen …
    Ein Klackern riss mich aus meiner Schwermut. Ich öffnete das Fenster und sah Dominic neben der abgeknickten Wäschespinne im Hof stehen. Vermutlich hatte er ein Steinchen an die Fensterscheibe geworfen. Um ihn herum verdampfte der Regen auf dem Asphalt, sodass es aussah, als stünde Dominic in einer Wolke.
    Dom und mich verband seit dem Kindergarten eine dicke Freundschaft. Wir hatten viele erste Male miteinander geteilt: das erste Zeltlager, die erste (und einzige) Zigarette, den ersten Kinobesuch ohne Eltern, das erste Mal in der Disco, den ersten Vollrausch und den ersten Schwur: nie wieder Alkohol. Er war ein Charmeur, der uns mit einem Lächeln Probleme einhandeln und diese mit seinem Hundeblick wieder zu lösen vermochte, und ich war sein kleiner, fast unsichtbarer Schatten, den er aus Gründen, die keiner verstand, zu seiner besten Freundin erklärt hatte. Ich glaube nicht, dass unsere Freundschaft Bestand gehabt hätte, wenn mir Ansehen oder Äußerlichkeiten etwas wichtiger gewesen wären. Schon so beneidete ihn jede einzelne meiner Sommersprossen um seine Biskuitporzellanhaut und für seine tintenschwarzen Wimpern hätten auch Frauen gemordet, die nicht wie ich mit karamellfarbenen Stoppeln um die Augen gestraft waren. Dom war immer schon hübsch gewesen, aber nun wusste er es und nutzte es ohne jede Hemmung aus. Nachdem er sein Haar, das wie meins immer kinnlang und braun gewesen war, stachelig kurz schnitt und wie Jared Letos blond färbte, vergötterten ihn die Mädchen – wofür ihn die Jungs wiederum nur hassen konnten.
    Â Â»Hallo, du Held!«, rief ich zu ihm hinunter. »Danke für die Blumen! Und die Pralinen! Ach, und danke für all deine Besuche, die mich aus meiner Langeweile gerettet haben.«
    Der Held hatte mich nicht mal angerufen, sondern lediglich mit meinem Vater telefoniert. Er behauptete, es läge daran, dass er unentwegt lernen musste, weil ihm nach den Ferien eine Nachprüfung blühte, die über seine Versetzung entschied. Der konnte mir viel erzählen. Er hatte eine Arzt-Phobie, aber ich hatte angenommen, ihm wichtiger zu sein als seine Angst vor weißen Kitteln. Trotz meiner Enttäuschung war es irgendwie tröstlich, dass er immer derselbe blieb, egal was auch geschah. Selbst ein U-Bahn-Crash änderte nichts an Dominic.
    Meine Vorwürfe kommentierte er mit einem Grinsen. »Kommst du runter?«
    Ich warf einen Blick auf den Radiowecker, der exakt 14.00   Uhr anzeigte. »Später, ich muss erst auspacken. Sagen wir, in einer

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