Himmelsfern
über den Teppich schlitterten. Ich prustete los und lieà mich neben Marlon sinken. Mit bebendem Zwerchfell drückte ich mich an ihn, zupfte ihm die Haare aus der Stirn, spürte seine Brust zucken und konnte nun selbst nicht mehr aufhören zu lachen. Ich wollte ihn küssen, aber wir schlugen nur mit den Zähnen gegeneinander und warfen bei dem Versuch, uns zu umarmen, meinen Schreibtischstuhl um. Wir lachten, bis mir der Bauch wehtat und mein Gesicht völlig verkrampft war, konnten aber noch immer nicht aufhören. Was sollten wir auch anderes tun? Er war verzweifelt, ich verstört. Ãberwältigt waren wir beide. Was blieb uns anderes übrig, als zu lachen und zu weinen und uns aneinander festzuklammern, als hinge unser Leben davon ab?
Als wir uns endlich wieder fingen und das Lachen abebbte, um gelegentlichem Kichern und dem Geräusch hemmungslos hochgezogener Nasen Platz zu schaffen, konnten wir uns kaum ansehen. Marlons Gesicht lag an meiner Brust, Emmas T-Shirt war feucht von seinen Tränen. Meine rannen mir in den Halsausschnitt und juckten mich dort.
Als Marlon das Gesicht wieder Richtung Fenster drehen wollte, zog ich sein Kinn schnell zu mir. »Nicht zum Knödel gucken«, warnte ich ihn, darum bemüht, möglichst ernst zu schauen. »Noch einen Lachkrampf überlebe ich nicht.« Das war ernst gemeint, unter meinen Rippen schmerzte es so sehr, dass ich mich kaum bewegen konnte. Ich schniefte und befürchtete, nun ernsthaft weinen zu müssen, weil ich ein paar Sekunden ausschlieÃlich glücklich gewesen war und der schreckliche Moment näher kam, an dem dieses pure Glück wieder zersplittern würde.
Ob Marlon mir das ansah oder ob es ihm ähnlich ging, wusste ich nicht, aber er legte mir eine Hand über die Augen, machte leise »Schschsch« und küsste mich. Es wurde der eigenartigste Kuss meines Lebens, denn unsere Lippen waren völlig verkrampft. Wir kämpften beide gegen einen erneuten Lachanfall an, ich zudem gegen meine Tränen â und küssten uns. Meine Hände glitten ohne einen Anflug von Scheu unter sein T-Shirt, als hätten wir uns schon tausendmal halb totgelacht und uns danach wieder lebendiggeküsst. Er hielt mir die Augen zu, erlaubte der Welt nicht, mich dabei zu stören, seinen Rücken und seine Schultern zu streicheln. Wir küssten uns, bis es wieder gut war, bis wir wieder atmen und uns ansehen konnten â was wir taten, bis sich meine Augen vor Erschöpfung wund anfühlten und ich sie schlieÃen musste. Es war anstrengend, Marlon anzusehen. Er hatte eine derart intensive Art, mich zu beobachten, dass es schien, als sauge er die Energie aus mir heraus, um sie mit den Details meines Gesichts in sich aufzunehmen und Teile von mir mit sich zu tragen, wohin er auch ging. Ich schauderte, lehnte mich an die Heizung, die kalt gegen meine Schultern drückte, und lieà den Kopf in den Nacken sinken. Mir war, als fühlte ich seine Blicke auf meiner Haut. »Was machst du?«, flüsterte ich und bemerkte, dass ich heiser klang.
»Ich präge mir ein, wie du aussiehst.« Auch seine Stimme war rau.
Ich kicherte müde. »Wie sehe ich denn aus? Verquollene Augen? Wunde Nase?« Ich kratzte mich an ebendieser, was den Zustand nicht verbesserte.
»Hmhm«, machte er zufrieden. Er berührte hauchzart den prickelnden Bereich über meiner Oberlippe. »Ich muss mir merken, wie sich deine Haut von ein paar harmlosen Küssen rötet.«
»Pff, harmlos.«
»Und ich muss mir das Geflecht dieser winzigen Adern auf deinen Lidern einprägen.«
»Kannst du das etwa noch nicht auswendig aufmalen?« Ich öffnete die Augen, beobachtete, wie sein Blick und sein Zeigefinger dem Schwung meiner Augenbrauen folgten.
»Ich wünschte, ich könnte ein Bild von dir mitnehmen. Damit ich dich nicht vergesse.«
»Du vergisst mich bestimmt nicht.«
Noch während er sich wegdrehte, stand er auf und mir war sofort klar, dass ich etwas Falsches gesagt hatte. Ehe ich ein Wort erwidern konnte, sah er auf die Armbanduhr. »Ich sollte gehen. Es ist spät.«
DrauÃen regnete es so heftig, als wollte der Himmel die ganze Stadt wegspülen. Wenn man aus dem Fenster sah â und es schaffte, am Meisenknödel vorbeizuschauen â, schien es, als wäre die Nacht eine einzige groÃe Wassermasse.
Ich erhob mich und schloss meine Hände um Marlons
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