Himmelsfern
Unterarm, als wollte ich ihn gewaltsam festhalten, sollte es nötig werden. »Du musst nicht gehen. Du wirst ganz nass und in deiner maroden Hütte kannst du bei dem Wetter unmöglich schlafen.«
»HeiÃt das, ich soll bei dir schlafen?« Sein Ton war neckend, aber ich würde mich von ihm sicher nicht ins Bockshorn jagen lassen.
Ich zuckte mit den Schultern. »Warum nicht? Meine Freunde übernachten häufiger mal bei mir. Ist doch nichts dabei.« Das war übertrieben. Rosa schlief häufiger bei mir, Dom war zuletzt über Nacht geblieben, als wir zehn gewesen waren.
»Wirklich nicht?«, hakte er nach. »Da ist gar nichts bei?«
Zufrieden registrierte ich ein winziges Funkeln in seinen Augen, das man mit gutem Willen für Eifersucht halten konnte. Leider trieb seine Antwort auch ein wenig Hitze in meine Wangen. Marlon verstand sich vortrefflich auf Zweideutigkeiten. Ich war allerdings auch nicht ganz ohne.
»Vielleicht mache ich für dich irgendwann eine Ausnahme. Für heute aber will ich dich nur nicht in den Regen rausschicken. Oder hast du zufällig eine Ente in der Verwandtschaft?«
Er lachte, verzog das Gesicht, offenbar schmerzte auch sein Zwerchfell, und hob beide Hände. »Ich gebe mich geschlagen, ehe du mit gehässigen Hähnchenwitzen anfängst. Darf ich zuerst ins Bad?«
Ich verneigte mich ein Stück. »Erste Tür links, werter Herr. Handtücher sind im Weidenkorb unter dem Waschbecken.«
Ich schloss die Tür hinter ihm, lehnte mich gegen das Holz und dankte dem Himmel für die Sterne, den Regen und für Marlon. Den Gedanken, dass er ihn mir auch wieder wegnehmen würde, verbannte ich. Rasch schlüpfte ich aus meinen Kleidern, zog ein bequemes T-Shirt und eine Pyjamahose an. Marlon zum Schlafen Wäsche meines Vaters zu geben, wäre mir seltsam vorgekommen, aber ich hatte zum Glück ein paar ausreichend groÃe Band-T-Shirts und entschied mich für eins von den Stones. Klassisch, nicht ganz neu und gern getragen â das passte zu Marlon. Ich warf es ihm zu, als er zurückkam, und ging ins Bad.
Nach einer eiligen Katzenwäsche fand ich Marlon wie selbstverständlich in Boxershorts mit gekreuzten Beinen auf meinem Bett sitzend vor. Mir lag ein frecher Kommentar auf der Zunge â zum Beispiel, wie er auf die Idee kam, im Bett schlafen zu dürfen, und ob er sich nicht lieber auf die Gardinenstange setzen wollte. Aber die lieb gemeinten Gehässigkeiten vergingen mir, als ich sah, wie müde er wirkte. Ich hatte ihn einmal gefragt, ob er je entspannt war. Vielleicht wenn ich schlafe , war seine Antwort gewesen. Ich wäre gerne die ganze Nacht wach geblieben, wenn ihm das helfen würde, ruhiger zu schlafen. Ich schloss meine Zimmertür zweimal ab und versprach im Stillen, diese Nacht auf ihn aufzupassen.
Ich zog die Vorhänge zu, lieà aber die Rollläden nicht herunter, da der Regen zu laut dagegengeprasselt hätte. Dicht neben dem Fenster blieb ich stehen, überlegte, ob ich Marlon eine zweite Decke holen sollte oder eine Flasche Wasser für die Nacht oder weià der Teufel was. Das Licht auszuknipsen und mich zu ihm ins Bett zu legen, schien mir von einer Sekunde auf die andere unvorstellbar. Herrgott, jetzt fürchtete ich mich schon vor meinem Bett! Normalerweise hörte ich Musik zum Einschlafen, aber ich zog die Hand zurück, die ich bereits nach den CDs ausgestreckt hatte. Vielleicht würde ihn das denken lassen, ich wollte romantische Stimmung schaffen, und dann würde er glauben, dass ich ⦠Ja, was? Mit ihm schlafen wollte? Vielleicht dachte er das sowieso. Ich hatte ihn ja förmlich angebettelt, über Nacht zu bleiben.
»Noa? Komm her.« Seine Stimme war ebenso fest wie weich und ebenso verlockend wie furchterregend. Ich suchte fieberhaft nach einer Ausrede, das Zimmer noch einmal zu verlassen, aber dann riss ich mich zusammen, ging zu meinem Bett und setzte mich auf den Rand der Matratze.
Er zupfte an den Spitzen meiner Haare. »Soll ich gehen?«
Gehen oder ⦠anfangen? »Ãhm, wie bitte? Was hast du gesagt?«
»Du hast mich verstanden.«
»Nein. Nein, du sollst nicht gehen.« Aber sag mir, dass du einfach nur schlafen willst, denn alles andere kommt zu plötzlich, und zurückweisen kann ich dich nicht, weil ich nicht weiÃ, ob ich das will.
»Gut.« Er rutschte zum FuÃende, streckte sich nach dem
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