Himmelsjäger: Roman (German Edition)
durch einen Strang-Tunnel fort, bevor ein Arachno mit der Absicht eintraf, den angerichteten Schaden zu reparieren. Für die Flucht blieben ihm nur wenige Minuten. Wenn er einen Strang durchschnitt, löste er damit ein Signal aus, das vom Netz übertragen wurde und die großen, scheußlichen Wesen alarmierte, die beunruhigend schnell sein konnten.
»Ich schätze, jetzt müssen wir allein voraus, zu den Indianern«, sagte Tananareve. Fred quittierte ihre Worte mit einem Lächeln – nur er verstand die Anspielung auf Mark Twains Die Abenteuer des Huckleberry Finn .
Sie schlichen durch den Wald, und es fiel Tananareve nicht leicht, mit den anderen Schritt zu halten. Fred und Lau Pin trugen die Seile über den Schultern; sie hatten Blätter dazwischengelegt, damit sie nicht zusammenklebten. Tananareves Arm war inzwischen fast ganz geheilt, schmerzte aber immer noch ein wenig. Schweiß tropfte ihr von der Stirn in die Augen und brannte. Sie versuchten, so leise wie möglich zu sein, als sie sich von dem Lager entfernten. Die Dienstler schliefen nicht alle gleichzeitig. Tananareve hatte sie aufmerksam beobachtet, um festzustellen, wann möglichst wenige von ihnen wach waren – nach ihrer Schätzung war der Schlafzyklus der Dienstler etwa drei Erdtage lang.
Auf der Lichtung sah es aus, als würden die Menschen schlafen. Holzstücke unter Blättern waren so angeordnet, dass die Vogel-Leute den Eindruck gewannen, ihre Gefangenen hätten sich zur Ruhe gelegt. Der Trick schien zu funktionieren – die Dienstler gaben keinen Alarm.
Sich leise durch das Dickicht zu bewegen erforderte Konzentration. Tananareve fiel das Atmen schwer, denn die Luft schien immer dicker zu werden. Als sie schließlich die Barriere erreichten, schmerzte ihr Arm wieder, und die Benommenheit war so groß geworden, dass sie kaum mehr einen klaren Gedanken fassen konnte. Lau Pin glaubte, dass die glatte Wand hier etwas niedriger war als an anderen Stellen – ein umgestürzter Baum von der anderen Seite schien sie an dieser Stelle etwas herabgedrückt zu haben. Unglücklicherweise befand sich ein Arachno-Tunnel in der Nähe.
Rasch entrollten sie die Seile, und Lau Pin und Abduss machten sich daran, sie mit den Lasern zu verschweißen. Dabei roch es wie nach verbrannter Milch. Sie hatten den Vorgang geübt, und deshalb waren nur Sekunden nötig, die einzelnen Stränge miteinander zu verbinden. Einer hielt sie aneinander, und der andere machte vom Laser Gebrauch.
Tananareve bezog wie vereinbart an der Barriere Aufstellung. Sie war transparent und glatt, vermutlich damit keine Tiere emporklettern konnten, und ihre Höhe betrug schätzungsweise hundert Meter. Wie bei altem Glas gab es kleine Wirbel und Wellen in dem durchsichtigen Material, und sie verzerrten ein wenig die Konturen des Dschungels auf der anderen Seite. Plötzlich begriff Tananareve, dass die Barriere tatsächlich daraus bestand, aus Glas, so alt, dass es sich bei seinem langsamen Fließen nach unten – Glas war eine Flüssigkeit – verändert hatte. Vielleicht handelte es sich um eine Standardbarriere, dafür bestimmt, Tiere innerhalb eines bestimmten Gebiets zu halten. Aber die Konstrukteure hatten offenbar nicht mit schlauen Tieren gerechnet.
Lau Pin und Abduss verbanden das Ende des langen Seils mit einem Holzblock, den Lau Pin vor einigen Tagen zurechtgeschnitten hatte. Dabei war er ebenso geschickt gewesen wie bei der Vorbereitung einer Art Katapult, das er an diesem Ort aus einigen gummiartigen Lianen und stabilen Ästen gebaut hatte. Zusammen mit den anderen Männern spannte er die Vorrichtung, was selbst in der niedrigen Schwerkraft ziemlich harte Arbeit war. Sie hatten auch dies geübt und waren sicher, dass alles wie vorgesehen funktionieren würde. Ein dickes braunes Blatt hielt den großen Holzblock mit dem daran befestigten Seil aus miteinander verschweißten Fasersträngen.
Alle nahmen ihre Positionen ein, und Lau Pin begann mit dem Countdown.
Tananareve bewunderte, was Lau Pin und Abduss geleistet hatten. Die Vorrichtung sah aus wie etwas aus dem Mittelalter – und sie hatten den Apparat praktisch aus dem Nichts geschaffen.
Lau Pin konnte der Versuchung nicht widerstehen, am Ende des Countdowns »Feuer!« zu sagen.
Die gespannten Lianen schnellten nach vorn und schleuderten den Holzblock nach oben. Er erreichte schnell den höchsten Punkt der Barriere, flog darüber hinweg und senkte sich auf der anderen Seite wieder dem Boden entgegen. Bei 0,1 g hatte ein
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