Himmelsjäger: Roman (German Edition)
Realität war, traf man die richtigen Entscheidungen. Aber wenn er nicht existierte, traf man nicht unbedingt die falschen Entscheidungen. Es lief darauf hinaus, dass man gar keine Entscheidungen traf, weil einem der freie Wille dazu fehlte.
Hier gab es Parallelen zwischen Volk und Letzten Eindringlingen.
Diese kleinen Geschöpfe hatten ein reiches geistiges Leben, doch es ging tiefer, als sie selbst ahnten. Ihnen fehlte der Überblick, der es ihnen gestattete, die große Welt des adaptiven Unbewussten zu betrachten. Sie sahen nicht die faszinierenden Landschaften des Geistes in ihrer ganzen umfassenden Pracht.
An Bord ihres kleinen Raumschiffs hatten sie in einer künstlichen Umwelt gelebt, die ganz anders war als ihre natürliche Welt. Vielleicht hatten sie noch nicht in Erwägung gezogen, einen Schiffstern für die Erforschung der Galaxis zu bauen. Vermutlich waren sie gar nicht dazu imstande und hatten sich deshalb mithilfe primitiver Maschinen auf den Weg gemacht. Junge und unerfahrene Geschöpfe, bereit dazu, viel Mühsal auf sich zu nehmen.
Also befanden sie sich in einer tragischen Situation. Sie waren zu den Sternen aufgebrochen, mit einem Gehirn, das nur mit begrenzten Informationsmengen fertigwerden konnte. Sie mussten derzeit hoffnungslos überfordert sein, und daraus wiederum ergab sich …
Vielleicht wäre der Tod eine wünschenswerte Befreiung von ihren Qualen gewesen.
25
Die Nachricht von Redwing machte ihnen allen Mut, doch es dauerte nicht lange, bis sich die Stimmung wieder trübte. Was nun?, lautete die Frage, die sie alle beschäftigte.
Lau Pin improvisierte eine Art Richtstrahlprojektor aus den Geräten und Instrumenten, die ihnen zur Verfügung standen, konnte die SunSeeker aber nicht erreichen, was eigentlich niemanden überraschte. Redwing war imstande, mit einem Megawatt auf der 14,4-Gigahertz-Frequenz zu senden, aber Lau Pins Apparat brachte selbst voll aufgeladen nur ein oder zwei Watt zustande.
Von einer Kommunikation mit dem Schiff konnte also keine Rede sein. Beth beobachtete, wie die anderen darauf reagierten. Nach einem Tag planloser Aktivitäten produzierte Abduss ein eigenes kleines Wunder.
»Ich habe hier was, das uns allen ein bisschen Freude schenken kann!«, rief er und hob eine der Flaschen, die sie von den Dienstlern erhalten hatten. »Ich habe mit den Früchten experimentiert, die uns die Vogel-Leute geben, und dies ist das Ergebnis.« Er füllte die kleinen Tassen, die sie von Memors Bediensteten bekommen hatten, mit milchiger Flüssigkeit. »Prost!«, sagte er laut.
Sie tranken.
»Schnaps!«, rief Fred.
Abduss verzog das Gesicht. »Wein. Nicht aus Trauben, sondern aus dem Obst dieser fremden Welt.«
»Fusel«, sagten Lau Pin und Mayra wie aus einem Mund.
Sie ließen sich ihn schmecken. Beth lehnte eine zweite Tasse ab und behielt die anderen im Auge. Sie schnitten Grimassen beim Trinken, was sie aber nicht daran hinderte, das Zeug in sich hineinzukippen. Ihr Lachen wurde lauter, die Wangen röteten sich, und die Augen glänzten. Nach all dem, was sie hinter sich hatten, brauchten sie Entspannung, und die ließ sich mit Alkohol leicht finden. Lass sie gewähren, dachte Beth. Sie beobachtete Fred Ojama, der nicht wie die anderen lachte, seine Tasse schließlich beiseitestellte und sagte. »Ich werde das lieber lassen.«
Am nächsten Morgen litten die meisten von ihnen an einem ausgewachsenen Kater. Sie erledigten die Routinearbeiten in ihrem Lager und saßen dann einfach nur da, bis die Dienstler mit dem glatten Gefieder kamen, zylindrische Kanister brachten und sie vor Mayra auf den Boden stellten. Sie öffnete die Behälter vorsichtig und schnupperte. »Riecht nach Alkohol.«
Beth verzog das Gesicht. Die Vogel-Leute hatten schnell begriffen. Um die Gefangenen ruhig zu halten, gebe man ihnen etwas, das Trost spendet, ohne die Situation zu verändern. Sehr clever.
»Es gefällt mir nicht, dass sie uns dauernd beobachten«, sagte Lau Pin, und da musste Beth ihm zustimmen. »Dies beweist, dass sie versuchen …« Er suchte nach den richtigen Worten.
»Dass sie was versuchen?«, fragte Beth. »Uns ruhig zu stellen?«
Mayra winkte ab. »Sie verpflegen uns nur, das ist alles.«
Lau Pin lächelte schief. »Wir sind Versuchstiere für sie, keine Gäste. Der Alkohol ist ein Experiment. Sie wollen herausfinden, wie wir darauf reagieren.«
Das sah Beth ähnlich. Sie gingen auseinander, denn es war fast Zeit fürs Mittagessen – nach den Chronometern der
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