Himmelskinder
darüber, dass die Innenstädte sich immer ähnlicher wurden.
Überall die gleichen Läden mit den gleichen Angeboten, giftete er übellaunig vor sich hin, ob in Stockholm, Madrid oder Aldenburg. Einkaufsparadies, du lieber Himmel. Wer will schon historisch gewachsene Besonderheiten? Sich überall wie zu Hause fühlen, das will der moderne Mensch.
Seine Stimmung ging gegen null, als er sich selbst in einem Schaufenster begutachten konnte: grau, faltig – und Klamotten, die mit ihm gealtert waren.
Der Pornoladen in der Buchenhecke überraschte ihn. Die junge Dame, die auf ihn zukam, entsprach nicht im Geringsten seinen Erwartungen, überhaupt wirkte der ganze Laden klinisch rein wie eine Apotheke. Er brachte es kaum über sich, die Dame in ein Gespräch zu verwickeln, an dessen Ende er sein Interesse an Kinderpornografie kundtun wollte. Die Verkäuferin, so nett sie zu Anfang des Gesprächs war, wurde zusehends distanzierter, und als er seinen Wunsch benannte, schnauzte sie:
»Was glauben Sie, wo Sie hier sind? Hauen Sie ab, Mann, bevor ich die Polizei rufe.«
Damit rauschte sie in den hinteren Teil ihrer Apotheke, und Masur dachte, dass er hier keine Lust hätte, sich auf die bunten Bilder einzulassen, was er durchaus hin und wieder gern tat.
»Turnt sowieso nur ab hier«, murmelte er im Rausgehen und hielt dabei einem Paar die Tür auf, sie Mitte fünfzig, er höchstens halb so alt.
Was hatte er vorhin an der Rezeption gehört? Eine Straße, die so ähnlich klang wie die Buchenhecke? Buchenecker Gasse? Johanna König, ich hab was gut bei dir.
Er fragte bei einer älteren Dame nach, die sich richtig anstrengte und mit beiden Händen den Weg wies. Die Erklärungen hörten sich kompliziert an, danach musste die Gasse am anderen Ende der Stadt sein. Er ahnte, dass er nur herumirren würde. Ein Stück weiter die Straße hoch standen Taxis. Er landete bei seinem Wurrste-Mann, der diesmal ohne Proviant unterwegs war, den Geruch aber in den Polstern konserviert hatte. Nach zwei, drei Minuten hielt das Taxi. Menschenskind, was hatte die Frau gerade für einen Mist erklärt, dachte Masur und stieg aus, kaum dass er eingestiegen war.
Die Buchenecker Gasse lag am Rande des alten Ortskerns mit malerischen kleinen Fachwerkhäusern und mannshohen Stockrosen vor den Türen. Sieh an, hier sollte die Abrissbirne der Stadtväter mal nach dem Rechten sehen. Hier wäre doch Platz für die großen Kästen, in die viel Mensch hineinpasst. Und wie wäre es mit einer Stadtautobahn mitten durch die Romantik? Gebaut von Bauunternehmern, die sich nicht lumpen ließen, liebe Stadtverwaltung? Masur hing wirklich durch.
Er fand den Laden nicht gleich, der sich schamhaft in einem Hinterhaus versteckt hatte.
Schmuddelig, düster und ein Verkäufer, der in eines seiner Produkte starrte, ohne sich stören zu lassen. Hier wären wir also richtig, dachte Masur und inspizierte den Laden. Kinderpornografie war nicht in den Auslagen zu finden, dafür aber wirklich alles, was halbwegs legal zu haben war, weiß der Teufel.
Masur griff sich ein Heft nach dem anderen und betrachtete die Fotos. Er fühlte sich beobachtet und zeigte sich im höchsten Maße interessiert, auch als er im Eifer Abbildungen für eine Fraktion in der Hand hielt, für deren Objekte der Begierde sich eigentlich nur die Windelindustrie interessieren konnte.
Er war einmal bei Ermittlungen auf eine solche Gruppe gestoßen, als diese gerade tätig war. Später hatte er mit Alvermann darüber geredet.
»Wenn doch alle Beteiligten das wollen, lass sie doch.«
Masur sah das heute ähnlich, damals hatte er gewütet:
»Du warst heute nicht dabei, sonst würdest du anders reden. Manche Menschen muss man vor sich selber retten, und die Scheißefresser gehören dazu.«
Masur wurde bei dem Mann an der Kasse vorstellig:
»Hör mal, die Bildchen sind ganz nett, ich suche aber eher nach dem, was Sie unter der Theke haben, hm? Was für die richtig bösen Jungs.«
»Aha. Und woher weiß ich, wer da vor mir steht? Da müssen Sie mir schon einen Namen nennen, das ist üblich.«
Ekelhaft, der Mann roch nach altem Zigarettenrauch und anderem Altem. Masur sehnte sich fast nach der Apothekentante.
Verdammt, wie hieß noch der Bordellbetreiber in Karlsbach, der vom »Black Cat«?
»Menzel aus Karlsbach hat mir Ihren Laden genannt. Hier würde ich alles finden, gegen gutes Geld natürlich.«
Masur zog fünfzig Euro aus der Tasche, die sofort verschwunden waren. Der Mann zeigte auf eine
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