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Himmelskrieg: Roman (German Edition)

Himmelskrieg: Roman (German Edition)

Titel: Himmelskrieg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Goyer
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»Oder möchtest du nur spazieren gehen?« Den Wunsch nach Bewegung konnte sie gut nachvollziehen, vor allen Dingen wenn die Kleine tatsächlich von den Toten wiederauferstanden war. Obwohl sie ja in einem neuen Körper steckt, sagte sich Valya. Es war schließlich nicht so, als hätte Camilla über einen längeren Zeitraum starr und kalt in einem Sarg gelegen.
    Unabhängig von körperlichen Aspekten war es jedoch sehr gut möglich, dass Camilla psychisch den Drang verspürte, zu laufen, zu rennen, zu erkunden, ihren ererbten Impulsen, zu jagen und zu sammeln, nachzugeben.
    »Ich weiß es wirklich nicht«, erwiderte Camilla. »Aber in meinem Kopf ist ein Bild von einem Ort, der sich an dieser Wand befindet.« Sie blieb stehen und schaute zurück. »Der Tempel liegt noch ein Stück weiter weg.« Dann marschierte sie wieder los, tiefer in das Habitat hinein.
    Valya spürte, wie sie langsam außer Atem geriet und ihre Beine schwach wurden. Und trotzdem tat ihr das Laufen gut. Sie war in Bewegung … obwohl sie das an einen von Dale Scotts Witzen erinnerte, die er dauernd wiederholte. Nun ja, er wiederholte ständig jeden Witz aus seinem Repertoire. Es ging um eine Frau vom Lande, deren Sohn sein ganzes schwer verdientes Taschengeld für Karussellfahren ausgegeben hatte. »Also, das Geld ist weg und das Karusssellfahren hat dir Spaß gemacht … aber wohin bist du gekommen?«
    Sie kam nirgendwohin, aber in diesem Augenblick genoss sie die Bewegung.
    »Entschuldige, wenn ich dir immer dieselbe Frage stelle, aber ich hoffe, dass du das verstehst«, sagte sie. »Wie fühlst du dich?«
    Sogar in dem schummrigen Licht sah Valya, wie sich Camillas Gesichtsausdruck änderte. Die Mimik war die eines Erwachsenen, irgendwie besinnlich, grüblerisch. »Ich bin ein bisschen besorgt, und mir ist schwindelig.« Dann blickte sie ihr offen ins Gesicht. »Ich hoffe, dass du das verstehst.«
    »Du kannst dich sehr gut ausdrücken«, entgegnete Valya. Das Mädchen lächelte und sagte: »Das Gleiche gilt für dich.« Sie sagte nicht etwa: Du dich auch, wie man es von einer Neunjährigen viel eher erwartet hätte.
    Dann legte Camilla mit einer eigenen Frage nach. »Du kannst dich mit jedem unterhalten, und je nachdem mit wem du sprichst, verändert sich dein Aussehen. Wie machst du das?«
    Also hatte das Mädchen selbst in der kurzen Zeit, in der sie zusammen waren, Valyas kleinen Trick bemerkt, der sie zu einer so erfolgreichen Dolmetscherin machte. Sie passte ihr Verhalten der jeweiligen Sprache an, der sie sich gerade bediente.
    »Als ich noch zur Schule ging, damals war ich dreizehn oder vierzehn Jahre alt, fiel mir auf, dass manche Menschen, wenn sie von einer Sprache zu einer anderen überwechselten, gleichzeitig ihre Gesten, ihre Körperhaltung und ihre Mimik änderten. In meiner Schule gab es einen Lehrer, der Theater unterrichtete. Er hieß Grigory, war sehr jung und sehr attraktiv.«
    »Hast du dich in ihn verliebt?« Das war ebenfalls eine Frage, die man nicht von einem Kind, sondern eher von einem Erwachsenen erwartet hätte.
    »Nein«, antwortete sie. »Er hätte meine Liebe nicht erwidert.« Nicht wegen des Altersunterschiedes, sondern wegen der sexuellen Neigung, aber darüber wollte Valya nicht mit Camilla reden. Die Situation war ohnehin schon sonderbar genug.
    »Grigory war so begeistert, dass mir dies aufgefallen war, und dass ich ihn darauf angesprochen hatte, dass er mir Privatunterricht gab, um mir diese besondere Art von Schauspielkunst beizubringen. Er sagte zu mir: ›Valyochka, wenn man spricht, seine Stimme einsetzt, kommt es nicht nur auf Worte und Lautstärke an. Wichtig ist auch, wo in deinem Mund der Klang entsteht.‹
    Natürlich hatte ich keine Ahnung, worauf er hinauswollte. Dann erklärte er mir: ›Valyochka, du hast dir viele amerikanische und britische Filme angesehen.‹ Du wirst es nicht wissen, Camilla, aber in Russland lernt fast jeder Schüler vom ersten Schuljahr an Englisch.«
    Camilla hatte nur genickt und dabei wieder das Aussehen einer viel älteren Person angenommen.
    »Und dazu gehört auch, dass man sich Filme in englischer Sprache anschaut. Natürlich hatte Grigory das ebenfalls getan. ›Valyochka‹, sagte er, ›sieh dir noch mal einen dieser Filme an und achte auf Folgendes: Das britische Englisch wird im vorderen Bereich des Mundes gesprochen, das amerikanische Englisch weiter hinten. Wenn du das amerikanische Englisch sprichst und wie ein Amerikaner klingen möchtest, musst du nicht

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