Himmelskrieg: Roman (German Edition)
Ganges.
Der Teich war nur ein paar Dutzend Meter entfernt. Er sprintete durch die Felsen und Felder, und als er Lake Ganges erreichte, bot sich ihm ein höchst seltsames Bild. Eine Frau aus Bangalore, die vollkommen nackt war, zog unter Mühen eine andere Frau aus dem Wasser. Diese war bekleidet, aber ihr Körper schien völlig schlaff zu sein.
Er half, die reglose Frau ganz aus dem Teich zu ziehen. Sie war jung, stammte auch aus Bangalore, und sie gab keine Lebenszeichen von sich. Aus ihrer Nase floss Wasser.
Die nackte Frau schnatterte unentwegt auf Xavier ein. Er verstand kein Wort, aber ihm schwante, was sie ihm mitteilen wollte.
Xavier war nicht in Erster Hilfe ausgebildet, er kannte nur das, was er im Fernsehen gesehen hatte. Aber das genügte, um die simpelsten Grundlagen der Wiederbelebung zu kennen. Er drückte der Frau die Nase zu, öffnete und säuberte ihren Mund, blies seinen Atem hinein.
Zum Nachdenken blieb ihm keine Zeit, und das war auch gut so, denn die Frau schmeckte nach Kälte und Schlamm und noch etwas Ekligerem. Er wiederholte die Mund-zu-Mund-Beatmung mehrere Male, dann begann er mit einer Herzdruckmassage.
In diesem Moment schob die nackte Frau ihn zur Seite und übernahm die Wiederbelebungsversuche. Sehr schnell stellte es sich heraus, dass sie mehr davon verstand als er.
Aber auch ihre Bemühungen blieben erfolglos. Nach einer Zeitspanne, die Xavier wie eine halbe Stunde vorkam – obwohl vermutlich nur zehn Minuten vergangen waren –, während der die Frau von ihnen beatmet und massiert wurde, gaben beide ihre Anstrengungen auf und lehnten sich erschöpft zurück.
Die Frau, die sie aus dem Wasser gezogen hatten, war tot.
Die nackte Frau hatte Tränen in den Augen. In einer universellen Geste der Hilflosigkeit spreizte sie die Hände.
Danach stand sie auf und fing an, nach ihren Anziehsachen zu suchen.
Xavier vergegenwärtigte sich, dass er Hilfe brauchte – und wenn nur, um sich mit der nackten Frau verständigen zu können. Er rappelte sich auf die Füße. »Warten Sie hier!«, sagte er und begleitete die Worte mit einer Geste, von der er hoffte, dass sie verstanden würde.
Dann hetzte er los zum Tempel.
»Sehen Sie sich das mal an«, sagte Gabriel Jones. Er und Shane Weldon knieten neben der Leiche. Vikram Nayar sprach mit der Frau, die jetzt nicht mehr nackt war.
Xavier konnte nur dastehen und sich wünschen, er wäre woanders. Von seinem Lauf zum Tempel und wieder zurück war er immer noch außer Puste. »Xavier, kommen Sie hierher!«, rief Jones.
Nun wurde er wirklich nervös. Hatte er bei seinen Wiederbelebungsversuchen vielleicht etwas falsch gemacht? Seine Nervosität steigerte sich noch, als Weldon sich so hinstellte, dass den anderen der Blick auf die Tote versperrt war, während Jones den Kopf der Frau zur Seite drehte und ihr strähniges Haar zurückstrich. »Schauen Sie sich das mal an«, sagte er so leise, dass Xavier ihn kaum hören konnte.
An der linken Kopfseite, über dem Ohr, befand sich eine blutige Beule. »Haben Sie das gesehen?«
»Nein.« Xavier wurde übel. »Als ich hier eintraf, lag sie schon im Wasser.« Mit einem Nicken deutete er auf die Frau, die bei seiner Ankunft nackt gewesen war. »Sie hat sie herausgezogen. Wir versuchten, sie wiederzubeleben …«
Jones und Weldon blickten einander an und tauschten irgendeine stumme Botschaft aus. »Das konnte man leicht übersehen«, befand Jones.
»O mein Gott!«, schrie Sasha Blaine. Xavier hatte sie nicht kommen sehen. Jetzt stand sie direkt hinter ihm, mit dem Baby auf dem Arm. »O mein Gott, o mein Gott!« Sie gebärdete sich regelrecht hysterisch, eine Reaktion, die Xavier einigermaßen überraschte.
Auch Weldon schien verblüfft. Er packte Sasha und bugsierte sie von der Leiche weg. »Beruhigen Sie sich, Sasha. Sie müssen doch schon früher einen toten Menschen gesehen haben.«
»Gottverdammt, Shane, das ist nicht das Problem. Es ist nur …« Xavier begriff, dass Sasha nicht ausrastete, weil sie mit dem Tod konfrontiert wurde … sie war wütend. »Die tote Frau ist die Mutter, Shane.« Sie zeigte auf das Baby, das sie auf dem Arm hielt. »Die Mutter dieses Babys!«
Gabriel Jones setzte sich buchstäblich auf den Hintern. »Scheiße aber auch!«
Weldon war skeptisch. »Sind Sie sich absolut sicher?«
»Ich habe sogar ein bisschen Zeit mit ihr verbracht«, erklärte Sasha. »Sie hieß Chitran und war dreiundzwanzig Jahre alt. Ihr Mann arbeitete im BCC , okay?«
»Bleiben Sie
Weitere Kostenlose Bücher