Himmelskrieg: Roman (German Edition)
kleiner war und viel normaler wirkte.
Überall, wo die Wände gegen die Decke stießen, befanden sich leuchtende Röhren. Sie sahen ein bisschen komisch aus, und das Licht, das sie abstrahlten, war zu grell. Als Xavier einen Schritt in das Innere tat, bemerkte er, dass der Staub und irgendwelche wie auch immer gearteten Fragmente auf seinem Hemd einen Glast verströmten, der ihn an das Schwarz licht erinnerte, das man in Bars benutzte. Wahrscheinlich blitzten seine Zähne in einem blendenden Weiß.
Und an der rechten Seite entdeckte er eine lange, sachte ansteigende Rampe, die zu einer Öffnung in der Decke führte.
»Alles okay«, rief er.
Als Sasha, mit dem Baby auf dem Arm, gleich hinter Harley, der in seinem Rollstuhl saß, den Tempel betrat, kommentierte sie: »Also kennen die Aliens Fenstertüren. Damit hatte ich nicht gerechnet.«
»Na ja«, erwiderte Harley, »vielleicht ist Architekten nicht die richtige Bezeichnung für sie. Womöglich sollten wir sie Raumdesigner nennen.«
Sobald der gesamte Rat und ein Dutzend Schaulustige aus Houston und Bangalore sich wieder im Tempel befanden, kehrten auch Mut und Unternehmungsgeist zurück. Weldon und Nayar waren die Ersten, die die Rampe hochliefen und ein paar Augenblicke lang in der Öffnung verschwanden.
Als Weldon sich wieder blicken ließ, verkündete er die atem beraubende Neuigkeit: »Hier oben gibt es eine zweite Etage.«
Nayar kam mit noch interessanteren Nachrichten zurück. »In der zweiten Etage gibt es einige Strukturen oder Anlagen oder Maschinen. Und die darüberliegende dritte Etage enthält noch viel mehr von diesem Zeug.«
»Es ist, als nähme der Tempel einen Hausmeister-Status ein.«
»Meinst du, er hätte auf uns gewartet?«, fragte Harley.
»Dieses Habitat hat auf uns gewartet. Es enthält die richtige Atemluft, die Schwerkraft ist annähernd die, die wir brauchen, die Temperaturen stimmen.«
»Sieh dir das Licht an, sowohl drinnen als auch draußen. Auch wenn die Proportionen des Gebäudes immer noch ein bisschen ungewöhnlich sind, so kommen sie menschlichen Maßstäben doch in etwa nahe, findest du nicht auch?«
Leute aus Houston und Bangalore drängten sich an ihnen vorbei und stapften die Rampe hoch. Wahrscheinlich würden sie so weit nach oben klettern wie nur möglich.
Sasha und Harley fiel auf, dass Xavier sich nicht vom Fleck rührte. »Möchten Sie nicht auch nachsehen, was da oben ist?«, erkundigte sich Sasha.
»Dazu ist immer noch Zeit, wenn die große Masse sich zerstreut hat«, lautete seine Antwort.
Als Xavier den Tempel verließ, stellte er fest, dass die Menge sogar noch größer geworden war. Es schien, als wolle jeder der hier Gestrandeten just in diesem Augenblick bis in die Spitze des Tempels hochkraxeln.
Für Xavier bedeutete das, dass er länger brauchen würde, um sich durch den Pulk zu schlängeln. Dauernd stieß er mit Frauen zusammen, deren Haare noch von einem Bad im Lake Ganges feucht waren.
Zur Hölle, er musste noch einen Ausflug zur Müllkippe machen. Die Zeit reichte gerade mal aus, um sich für das Nachmittagsmahl bereit zu halten, was immer auch an Nahrung verteilt werden mochte.
Ein letztes Mal raffte er Grünzeug zusammen und brach in die Richtung auf, in der Lake Ganges und die Müllkippe lagen. Er folgte seinem neu angelegten Pfad durch die nächste Baumgruppe.
Er war erst ein paar Dutzend Meter weit gekommen, als er Gelächter hörte. Jemand sang ein Lied. Als er eine Lichtung erreichte, sah er Camilla, die mit geschlossenen Augen glückselig herumtänzelte und ihn gar nicht wahrnahm.
Sie sang auch, wahrscheinlich auf Portugiesisch, nahm er an. Es klang wie ein Kinderlied, und immer wieder kam der Ausdruck »rato« vor. Ratte?
»Hey, hi«, rief er. Selbst unter normalen Umständen hatte er nicht viel Übung darin, mit neun Jahre alten Kindern zu plaudern. Und dieses Kind, wusste er, war von den Aliens, diesen Architekten, zum Leben wiedererweckt worden.
Die Kleine beachtete ihn nicht. Fast schien es, als könnte sie ihn nicht mal hören.
Schön. Er ging einfach weiter. Da Camilla ihm ein biss chen unheimlich war, blickte Xavier zweimal über seine Schulter. Beim ersten Mal sah er, dass das Mädchen immer noch tanzte.
Beim zweiten Mal war Camilla verschwunden.
Xavier warf die letzte Ladung Abfall auf die Kippe und befand sich auf dem Rückweg, als er einen Schrei hörte. Einen Moment lang glaubte er, Camilla könnte geschrien haben, aber das Geräusch kam aus der Richtung des Lake
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