Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Maggiani
Vom Netzwerk:
alles dermaßen verändert, dass der Tropenwald bis in das Revier gekommen war. Am Anfang war jedoch nur die Duse.
    Die Duse war gut geboren, sagte sie mir, und sie wollte sagen, dass sie von zwei Menschen geboren wurde, die sich liebten und schnell lernten, auch sie zu lieben. Ihre Mutter war die Tochter von Wirtsleuten, sie war also aufgewachsen, um wohlgesinnt und neugierig zu sein. Ihr Vater war schön und ein Auswärtiger und ein paar Monate nach der Schlacht von Vittorio Veneto im Revier gelandet, mit dem noch fiebrigen Blick eines jungen siegreichen Offiziers; er war hier, um die Laufbahn eines Provinzbürokraten einzuschlagen, war aber noch voller Energie und Fantasie. Er kam gern ins Wirtshaus, setzte sich in den Schatten der Platane, dorthin, wo schon der größte Dichter seinen Tisch zum Briscolaspielen hatte, und trank in Ruhe den Punsch, den sie ihm zubereitete. Er trank langsam und in kleinen Schlucken, wie es die vornehmen Städter machen, und sah sich nach jemandem um, mit dem er seine innovativen Ideen über Politik und Kultur teilen konnte. Das ergab sich nur sehr selten und mit unbefriedigenden Ergebnissen. Der Vater der Duse hegte revolutionäre Gefühle, und das war bei den Trinkern der Osteria del Ponte gern gesehen, aber seine Launen erwiesen sich als schwierig und seltsam, alle gediehen in den Hyperboreen der Poesie, in den unbekannten Künsten der Moderne, in den Experimenten der zukünftigen Wissenschaften. Während für seinen Geschmack selbst das Gedicht des Poeten überholt und längst vergangen erschien, der noch einige Jahre zuvor, von Verehrung umgeben, auf dem Stuhl saß, von dem aus er nun Undankbarkeit verbreitete.
    Denen vom Ponte war er nicht sympathisch, aber er gefiel der Tochter der Ghetti, die zu verstehen glaubte, was er meinte, wenn er ihr mit einem weißen Lächeln seine Einsamkeit zeigte. Sie waren beide schön, von so unterschiedlicher Schönheit, dass die eine für die andere nur perfekt sein konnte. Sie heirateten sofort, ohne Zeit damit zu verschwenden, Klarheiten zu suchen, die sie nicht brauchten, und zogen weit genug vom Wirtshaus weg, dass sie sich einbilden konnten, ohne es auszukommen. Auf Hochzeitsreise fuhren sie nach Florenz, gingen in die Oper, besuchten die Museen und gingen an den gerade wieder aufgebauten Böschungen am Arno spazieren. Aber der junge Bräutigam konnte endlich auch viel und mit großer Freude in den Zirkeln und Cafés diskutieren. Dort gab es viele wie ihn, siegreiche und ungezähmte junge Geister, die sich nach Rettung aus der grauen Mittelmäßigkeit einer Nachkriegszeit sehnten, wo die Masse sich dem eben erst erreichten Ruhm verweigerte und abgeneigt war, neue Siege zu wagen. Andere sprachen im Namen des Volkes und von Sozialismus und Sowjets, er und seine neuen Freunde verabscheuten es, sich hinter einem Volk verstecken zu müssen, das gegen die natürliche Ungleichheit der starken Geister wetterte, und nahmen sich vor, das in Brand zu setzen, was von Italien im Namen der faden Banalität des Brotes noch blieb. Er kam nach Hause als Faschist der ersten Stunde; und er schaffte es nicht einmal rechtzeitig, seine Frau zu schwängern, denn er machte sich sofort auf den Weg, um seinen Teil zum Marsch auf Rom beizutragen.
    Zurück kehrte er mit einem Gepäck aus außergewöhnlichen Ereignissen und historischen Umwälzungen, in einer Uniform, die ihn als Parteifunktionär auswies, er stellte sie zufrieden zur Schau, und sie machte ihn etwas weniger revolutionär und etwas älter, als er aufgebrochen war. In seinen langen schwarzen Haaren war eine silberweiße Strähne aufgetaucht. Er wechselte seine Arbeit und war nun ein hohes Tier der Faschisten, mit der Pflicht, sich um das rechte Wohl des Volkes zu kümmern; er ging weiterhin ins Wirtshaus und war jetzt der Ehemann der Tochter, und obwohl er so sichtbar im Rang aufgestiegen war, suchte er immer noch die Diskussion und fand sie auch weiterhin nicht.
    Die Duse hat mir das so erzählt, sie hat gesagt: Faschist der ersten Stunde und so weiter. Da ich von meiner Mutter nie wieder etwas darüber gehört habe, erinnere ich mich eher an die Art, in der andere mir viele Jahre später davon berichteten, aber mir kommt noch ihr entschiedener Ton ohne jegliche Ereiferung in den Sinn: mit leiser, schulmeisterlicher, erklärender Stimme. Er kam zurück als Faschist der ersten Stunde. Er war ein braver Mann, er liebte mich so. Er dachte, es auf seine Weise richtig zu machen, doch am Ende musste er

Weitere Kostenlose Bücher