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Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Maggiani
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Mensch mit einem Gewissen nichts anderes tun, als der Sache des Friedens Geist und Gestalt zu verleihen. Er hoffe, mit Hilfe seiner Zaubertricks und seiner Worte, bei diesem Versuch nicht schlecht dazustehen.
    Schließlich sprach Chico. Er sagte ihm, er habe alles von dem verstanden, was er gehört habe, und damit habe er auch verstanden, dass er bereit sei, seinen Beitrag zu leisten. Er würde gern losziehen, um gegen die Sklavenhalter der ganzen Welt zu kämpfen, wenn Herr Welles ihm sagen würde, wie. Der Amerikaner wollte es ihm nicht sagen. Er umarmte ihn noch einmal und verabschiedete sich und versprach ihm dabei, sie würden sich wiedersehen, und er solle nie vergessen, auch nicht einen Moment, dass sein letztes Ziel das blaue griechische Meer war.
    Am Tag danach ging Chico zum Büro, das die Força Expedicionária Brasileira gegenüber dem Theater eröffnet hatte, und fragte den Sergeanten, der am Schalter Zeitung las, ob der Krieg auch Griechenland in Knechtschaft versetzt habe. Natürlich, antwortete der Sergeant, der sich nicht erinnerte, wo Griechenland lag, und der Meinung war, dass die Völker sich ihre Knechtschaft meistens verdient hätten. Chico fragte auch, ob der Sergeant vielleicht wüsste, ob Vargas eine Expedition eingerichtet habe, um es zu befreien. Ganz bestimmt, sagte der Sergeant, Präsident Vargas sei sehr betroffen gewesen, als er vom Schicksal der Griechen hörte, antwortete der Sergeant, der zwar nicht die geringste Ahnung hatte, wohin die Expedition zum Kämpfen gehen würde, aber den ersten Freiwilligen vor sich hatte, seitdem der Schalter geöffnet wurde. So verpflichtete sich Chico freiwillig und fragte weiterhin alle, an die er weitergereicht wurde, auch den Arzt, der ihn untersuchte, indem er ihm mit den Fingerknöcheln auf den Rücken schlug, ob es sicher sei, dass die Expedition Griechenland befreien würde. Und alle antworteten: ganz bestimmt.
    Das erzählte mein Vater dem Mädchen, das ihn liebte. Und wie die Duse mir berichtet hat, lachte er dabei.
    Er war in der Nacht auf den zweiten Weihnachtstag mit seinen Erzählungen noch nicht zu Ende, als die Schüsse der deutschen 88er auf das Tal herunterhagelten und er und seine Kameraden der Expedition sich über die Straße nach Porretta in Sicherheit bringen mussten, indem sie mit noch aufgeschnürten Stiefeln in die Nacht hinausliefen und ihre ganzen Sachen am Straßenrand zurückließen, weil jemand vergessen hatte, die Lastwagen aufzutanken, und ihre Offiziere mit den Jeeps voller persönlicher Erinnerungen an den glorreichen Überseefeldzug verschwunden waren. Sie ließen die Mörser und Maschinengewehre zurück, die zu schwer waren, um sie sich auf die Schultern zu laden, und entnahmen ihnen die Schlagbolzen, damit sie ihnen wenigstens nicht mit ihren eigenen Waffen in den Rücken schossen. Sie ließen die Decken und die Petroleumöfen zurück, obwohl die Winterkälte sie fast so sehr erschreckte wie die SS-Panzerbrigaden, die, ausreichend vollgetankt, die Kehren der TODT-Straße herunterkamen, um ihnen den Rückzug abzuschneiden. Sie ließen die Kisten mit Lebensmitteln, die Küche, die Herde zum Brotbacken zurück, sie ließen einen Berg von köstlichem Konservenobst und Pulverkaffee und Kondensmilch zurück. Auf den Tischen ihrer Kantine ließen sie das aufgestapelte Geschirr zurück, das schon für das Frühstück am nächsten Morgen bereitstand. Sie ließen 54 Tote und 21 nicht transportfähige Verletzte zurück; den Verletzten, die noch eine Hand bewegen konnten, ließen sie jeweils zwei Morphiumspritzen zurück, die mit Feder, die auch durch die Winteruniform gingen. Sie ließen ihre Freunde und ihre Liebschaften zurück, die alle am nächsten Morgen um Punkt sieben Uhr zum Frühstück gekommen wären, das ihnen die Expedition auch am zweiten Weihnachtstag wie an jedem anderen Tag angeboten hätte: Die Expedition war die einzige Quelle von Milch und Kaffee im ganzen Ponte. Sie ließen sie im Dunkeln und ohne einen Abschiedsgruß und ohne ein Versprechen zurück. Sie konnten ihnen nur noch rechtzeitig das Nötige für das Frühstück am nächsten Morgen bereitstellen. Sie ließen das ganze Dorf zurück, das wach war und aus den blinden Fenstern der Keller und den Spalten in den Balken der Gartenlauben den Lärm der Granaten im Sturzflug hörte, den harten Aufschlag, der die Erde einen Moment nach der Explosion aufspritzen ließ, die Schreie derjenigen, die im Sterben lagen. Bei Tagesanbruch waren die Überlebenden der

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