Himmelsschatten
Türeingang. Weldon hatte ihn aus dem Home-Team herausgeholt und ihn mit einem groß gewachsenen, schlaksigen, fast schon dümmlich aussehenden Mann von circa vierzig Jahren bekannt gemacht; der Bursche trug ein kurzärmeliges weißes Hemd und mehrere Abzeichen. »Brent Bynum«, stellte Weldon vor. »Nationaler Sicherheitsstab, unsere Verbindung zum Weißen Haus.« Bynum sagte nichts, sondern nickte nur andeutungsweise mit dem Kopf.
Weldon führte die kurze Prozession zur Rückseite des Gebäudes 30 und hielt vor einer Tür, auf der stand: ELEKTRIZITÄT .
Hinter dieser Tür lag eine geräumige Kammer mit zwei uralten Großrechnern, die sich vom Boden bis unter die Decke erstreckten; der freie Raum reichte gerade aus, um zu einer anderen Tür zu gelangen … hinter der ein Konferenzzimmer lag.
Weldon knipste die Lampen an. »In diesem Monat ist er uns sehr nützlich.«
Harley wunderte sich, wie kühl es in dem Raum war, als hätte er eine extrem leistungsstarke Klimaanlage. »Ist diese kleine Übung es wert, dass ich ihr meine Zeit opfere? Dir ist doch sicherlich nicht entgangen, dass unsere Crew auf einem extraterrestrischen Raumschiff herumspaziert.«
»Ich verschwende weder deine Zeit, noch habe ich den aktuellen Stand der Dinge vergessen.« Während Harley seinen Stuhl an einen glänzend polierten Konferenztisch rollte, öffnete Bynum einen Safe – außer dem Tisch, den Stühlen und einem ausgeschalteten HDTV -Monitor der einzige Einrichtungsgegenstand im Raum. Er nahm ein leeres Blatt Briefpapier heraus und schob es zusammen mit einem Schreibstift zu Harley hin. »Bitte unterschreiben Sie das.« Das waren die ersten Worte, die der Vertreter des Weißen Hauses von sich gab.
»Freut mich auch, Sie kennenzulernen.« Ohne zu zögern kritzelte Harley seinen Namen auf das Papier.
Bynum fuhr fort: »Und jetzt schreiben Sie in Druckschrift darüber: ›Mir ist bekannt, mit welchen Strafen ich zu rechnen habe, wenn ich unerlaubt diese Informationen weitergebe.‹«
Sorgfältig brachte Harley den Satz zu Papier, doch nun grinste er zynisch. »Was glauben Sie, wie lange man diese Information geheim halten kann?«
Bynum blinzelte nur und nahm das Blatt an sich. »Ich bin mir sicher, dass ein Teil davon schon jetzt im Web ist.« Dann trat er ein paar Schritte zurück, und was Harley betraf, verschmolz er mit der Tapete.
Weldon zog eine alte Aktenmappe aus dem Safe. Harley konnte es gar nicht abwarten, sie aufzuschlagen – wie oft bekam man schon ein Dokument zu sehen, das so lächerlich geheim war? Die Mappe war fleckig und abgegriffen – sie roch sogar nach Schimmel – und enthielt einen gut zwei Zoll dicken Stapel an Dokumenten, von denen viele gekennzeichet waren.
Das Deckblatt war unbezahlbar – ein originales, mit Schreibmaschine getipptes Blatt von jemand namens »Lt. A. G. Cummings«, der für das sogenannte »Projekt Grudge« arbeitete, das zur Technical Intelligence Division des Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkts gehörte. Es trug das Datum vom 4. Januar 1948 – wenn Harley sich recht erinnerte, hatte es sechs Monate zuvor die ersten weltweiten Berichte über Fliegende Untertassen gegeben. Ursprünglich als »Geheim« eingestuft, war es mit einem halben Dutzend Durchstrichen und Verbesserungen versehen.
Außerdem stand darauf: »Kopie 1 von 5 Kopien«. Er fragte sich, wer wohl im Besitz der vier anderen Kopien war.
Unter dem Deckblatt befand sich ein zwei Seiten umfassendes Memorandum mit einer Übersicht, was man über Fliegende Untertassen wusste. Man schlug vor, ein »Protokoll« zu entwickeln, falls irgendwelche extraterrestrischen Wesen – die hier als »Fremde/Nichtmenschliche Entitäten« bezeichnet wurden – zufällig auftauchen sollten, und zwar lebendig.
In der vernünftigen Annahme, dass, was auch immer dieser Lieutenant Cummings 1948 vorgeschlagen hatte, wahrscheinlich abgeändert, erweitert und letztendlich von den neuesten Dokumenten in der Mappe widerlegt würde, blätterte Harley ein paar Seiten vor. »Ich hatte gehofft, etwas über die Geheimnisse des Absturzes in Roswell zu erfahren. Bis heute stand ich der Idee, dass wir tatsächlich die Leichen von Aliens im Hangar 18 aufbewahrten, ziemlich skeptisch gegenüber …«
»Die ganze Geschichte mit Roswell und den toten Aliens wurde in den Siebzigerjahren frei erfunden.«
»Dann hast du das also gelesen.«
»Nein«, erwiderte Weldon. »Dazu bin ich nicht befugt.« Das überraschte Harley. »Aber als Junge habe ich mich
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