Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)
musste ich ausprobieren, ob die Nummer mit der Armbrust wirklich funktionieren konnte. Noch war ich in Österreich und überlegte, wo ich ein geeignetes Gerät auftreiben konnte. Ich erinnerte mich, mal von einem Armbrustschützenverein in der Nähe von Salzburg gehört zu haben. Den machte ich ausfindig und fragte mich bis zu dem Laden durch, in dem die Schützen ihre Armbruste kauften. Als ich dem Verkäufer erklärte, was ich vorhatte, sah er mich an, als wollte ich ihm als Nächstes einen Apfel vom Kopf schießen. Ich hatte ihn um eine Armbrust gebeten, deren Geschoss 60 Meter weit fliegen kann: 30 Meter hoch und 30 Meter wieder runter, mit einem Seil daran. Dazu brauche man eine besonders starke Armbrust, sagte der Verkäufer. Er könne mir zwar eine besorgen, aber in dem Moment, in dem man 60 Meter Seil am Pfeil befestigte, sei es mit dessen Flugeigenschaften nicht mehr weit her. Das sei enorm viel Gewicht, das der Pfeil da ziehen müsse. Stellte sich also die Frage: Was nehmen wir anstelle eines Seils?
Ich bestellte die Armbrust und machte erste Versuche mit einer gewöhnlichen Paketschnur. Ein kompletter Reinfall. Die Schnur ließ sich nicht schnell genug abspulen und bremste den Pfeil. Nächster Versuch: Jalousieschnüre. Sehr dünn, sehr fest, in großen Schlaufen auf den Boden gelegt. Nur: Wegen der großen Schlaufen fing der Pfeil nach kurzem Flug an zu wackeln. Ich probierte sämtliche Schnüre aus, die man im Baumarkt bekommen konnte – ohne Erfolg. Mit zig Leuten sprach ich über das Schnurproblem. Eines Abends saß ich zufällig mit einem Angler beim Bier, und der erzählte mir von einer dünnen Nylonschnur, die wie eine Papierschlange in sich aufgewickelt war. Eine sogenannte Fast-Flight-Schnur, die der Angler zum Pfeil-und-Bogen-Fischen nahm. Gleich am nächsten Tag kaufte ich mir in einem Laden für Anglerbedarf drei Rollen von dieser besonders dünnen und strapazierfähigen Schnur, baute auf der Armbrust eine Halterung dafür und unternahm einen weiteren Versuch: Der Pfeil schwirrte mit einem Zischen fast senkrecht ab und landete nach einer perfekten Flugbahn einige Meter entfernt von mir. Der erste Schuss war also gesichert. Aber an einer dünnen Angelschnur konnte ich nicht zum Arm der Jesus-Statue hochklettern. Was ich brauchte, war ein elf Millimeter dickes Kletterseil. Der Jesus-Arm ist ja zwei Meter breit und aus Stein, das heißt: Die Leine, die ich am Ende der Fast-Flight-Schnur befestigen würde, musste eine gewisse Reibung aushalten können. Also besorgte ich mir eine drei Millimeter dicke Reepschnur: Die vertrug zwar die Reibung, war aber auch noch zu dünn, um daran hochzuklettern. Letztendlich würde ich mithilfe dieser Reepschnur die 60 Meter Kletterseil über den Jesus-Arm ziehen können. Nach oben ging es dann mithilfe von zwei Jümars, Steigklemmen samt Trittschlingen, mit denen ich mich nach oben ziehen konnte, wie die Kletterer Alexander und Thomas Huber bei ihren Speed-Klettereien. Mit dem Unterschied, dass ich nicht an einer Wand, sondern frei schwebend unter dem Jesus-Arm jümarn würde. So weit die Theorie.
Jetzt musste sich der Plan im Training bewähren. Ich fuhr in Salzburg herum und hielt nach Baukränen Ausschau, die ungefähr 30 Meter hoch waren, um das ganze Prozedere mal unter halbwegs realen Bedingungen zu simulieren. Irgendwann stand ich da in der Dämmerung und schoss Pfeile über einen Baukran. Die Spaziergänger müssen sich gefragt haben, was der Mann mit der schwarzen Armbrust da bloß treiben mochte.
Nachdem der Schuss über den Baukran fünf-, sechsmal in Folge funktioniert hatte, kletterte ich ein Stück am Seil hinauf, um auch das zu trainieren und herauszufinden, wie kraftraubend der Aufstieg eigentlich war. Es war anstrengend, aber aufgrund meiner Klettererfahrung machbar. Der vogelwilde Plan mit Hollywood-Anleihen, er konnte also tatsächlich aufgehen.
Wäre da nicht eine noch viel größere Hürde gewesen: Wie sollte ich meine Hochleistungsarmbrust in Brasilien durch den Zoll kriegen? Ich hatte keine Ahnung, wie die Einfuhrbestimmungen für Handbogen lauteten, und wie immer, wenn ich bei einem Projekt nicht weiterwusste, wandte ich mich an einen Experten. Ich fragte einen Bekannten aus einer internationalen Spedition, und der meinte: »Das ist eine Waffe. Die bleibt ganz sicher im Zoll hängen. Und verschicken dauert ewig und ist genauso unsicher.« Das war nicht das, was ich hören wollte. Eine Armbrust in Brasilien kaufen? Meine Recherche ergab,
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