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Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Titel: Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Baumgartner
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mich, stieg aus, ging vor bis zum Geländer, band meinen Schirm mit dem Müllsack an und bemerkte, dass sich hinter mir schon eine Autokolonne gebildet hatte. Die Fahrer sahen, dass ich einen Fallschirm auf dem Rücken trug, und wussten, ich würde gleich springen. Auf Portugiesisch riefen sie etwas, das wie Anfeuerungsrufe klang. Ich schaute nach unten, funkte Tracy an, er solle das Boot noch ein bisschen drehen lassen, sprang ab, landete perfekt, und schon gab der Bootsfahrer wieder Gas.
    Das war ein Riesenspaß gewesen, vor allem wegen der Mir-ist-übel-Nummer. Natürlich hatte ich in diesem Moment die wahrscheinliche Reaktion des Taxifahrers vorausberechnet und für meine Zwecke benutzt. Aber wieder war es mir wichtig gewesen, dabei kein Arschloch zu sein. Ich wollte ans Ziel kommen, wenn es sein musste auch mit illegalen Mitteln. Aber kein Mensch sollte Schaden erleiden – abgesehen vielleicht von den Securityleuten, die schon mal einen Anpfiff bekamen, nachdem ich sie hinters Licht geführt hatte. Aber ich sah das so, ich deckte die Sicherheitslücken auf und war damit ein unbezahlter Sicherheitsberater, der inkognito arbeitete.
    Zurück im Hotelzimmer, sahen wir uns das Video meines Sprungs an und stellten folgende Berechnung auf: Genau 1,5 Sekunden nach meinem Absprung hing ich am voll geöffneten Schirm. Aus 29 Metern Höhe würde ich nach 2,5 Sekunden auf der Besucherplattform der Jesus-Statue aufschlagen. Das bedeutete: Ich hatte eine Sekunde Spielraum, um der Plattform auszuweichen. Nicht viel, aber eine Sekunde ist eine Sekunde. In der Formel 1 ist das eine Ewigkeit. Und für unser Projekt hieß das: Es war machbar. Prompt rief ich wieder bei Thomas an: »Es wird schwierig, aber es kann funktionieren.«
    Für den Zeitpunkt des Sprungs gab es zwei Alternativen: Die erste war, in der Nacht zur Statue raufzugehen. Um acht Uhr abends wird die Anlage für Touristen geschlossen und anschließend von Securitymitarbeitern bewacht, die wir womöglich bestechen konnten. Wir fuhren eines Abends hoch, spielten Tourist und beobachteten einen Wachposten, der aus seinem Häuschen rauskam, und seinen Kollegen, der mit seinem Gewehr drinnen sitzen blieb. Die beiden machten keinen sonderlich bestechlichen Eindruck auf uns. Bei dieser Gelegenheit schauten wir uns auch das Gelände unterhalb der Statue an: Der Corcovado liegt in den Ausläufern des Tijuca-Regenwaldes, und die Statue umgibt ein einziges Dickicht, voller Ungeziefer und Schlangen, das nur mit einer Machete zu überwinden war und keinen unauffälligen Zugangsweg für uns bot.
    Blieb nur noch die zweite Alternative: Wir fuhren am frühen Abend rauf, versteckten uns im Dickicht, während die Touristen noch auf der Plattform umherliefen, und warteten, bis die Anlage zugesperrt wurde. Unwahrscheinlich, dass die Securitymitarbeiter dann noch das Gestrüpp durchkämmen würden. Am frühen Morgen, bevor die Besucherplattform um acht Uhr wieder öffnete, würde es dann für uns losgehen.
    Für das Gelingen des Projektes war zudem entscheidend, dass die richtigen Wetterverhältnisse herrschten. Bei einem Sprung aus 29 Metern Höhe muss es windstill sein. Wind könnte meinen Schirm drehen, und ich würde es nicht mehr über das Geländer der Plattform schaffen. Auch durfte es nicht regnen. Die Oberfläche der Jesus-Statue besteht aus Soapstone, einem selbstreinigenden glatten Gestein, das bei Feuchtigkeit extrem rutschig wird. Wenn es nur ein bisschen regnete, gab’s für mich keine Möglichkeit mehr zu springen, weil ich mich auf der Statue nicht sicher würde bewegen können.
    Ein weiteres großes Thema war der Hubschrauber. Den brauchten wir unbedingt für unsere Aufnahmen. Anders als den Taxifahrer auf der Niterói-Brücke mussten wir den Hubschrauberpiloten natürlich in unseren Plan einweihen. Wir fanden einen Piloten, der schon bei verschiedenen Red-Bull-Events geflogen war und der kein Problem damit hatte, dass es nicht legal war, was wir vorhatten.
    An einem windstillen Abend gingen wir hoch zur Statue: Tracy, zwei Kameraleute eines großen deutschen Senders, zwei Fotografen, zwei ortskundige Helfer und ich. Wir versteckten uns im Dickicht. Ich sagte: »Jungs, leise sein! Keine Zigaretten, kein Licht. Kopf unter die Blätter und Klappe halten!« Um vier, fünf Uhr sollte es losgehen. Für dieAufnahmen wollten wir den Sonnenaufgang abwarten.
    Die Nacht im Dickicht war der Horror. Inmitten von Insekten und Schlangen in allen Variationen und umgeben von nie

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