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Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Titel: Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Baumgartner
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wir Spaß mit ihm, dann macht er einen guten Job. Und wenn wir ihm einen Käfig mit einem Wellensittich reinstellen müssen: egal!«
    Doch je erfolgreicher und größer meine Projekte wurden, desto mehr wuchs auch der Erwartungsdruck: bei den Sponsoren, bei den Medien, in der Öffentlichkeit. Das machte es zunehmend schwierig für mich. Es ist wie in der Formel 1: Als Newcomer kannst du das erste Jahr relativ unbefangen fahren, solange du die Kiste nicht in jedem Rennen komplett zerlegst. Kein Mensch erwartet etwas von dir. Sobald du aber gezeigt hast, was du kannst, und vorn mitfährst, drehen sich alle Scheinwerfer auf dich: »Ah, der ist ja sogar für einen Sieg gut.« Und wehe, du wirst im nächsten Rennen nur Sechster! Dann kommt der Druck.
    So war es auch bei mir. Am Anfang hätte keiner mit dem Finger auf mich gezeigt, wenn ich es nicht bis rauf auf das Petronas-Dach geschafft hätte. Aber wenn man wie ich viele Jahre erfolgreich ist, dann geht jeder davon aus: »Der kann das. Der kommt schon wieder nach Hause, kein Zweifel.« Da ist dann verlieren verboten. Das habe ich als irrsinnig schwer empfunden. Ich hatte nicht mehr das Recht, nicht mehr diesen Jolly Joker, nach Hause zu kommen und zu sagen: »Jungs, es hat nicht geklappt. Was probieren wir als Nächstes?«
    Für mich gibt es drei Arten von Druck. Das eine ist der Druck, weil aufgrund deines langjährigen Erfolges irgendwann vorausgesetzt wird, dass du gewinnst oder das Richtige machst. Das ist Hermann Maier lange so ergangen. Der hat zu einer gewissen Zeit dermaßen dominiert, dass Platz zwei eine Riesenenttäuschung war. Die Presse setzt dann dieses »nur« vor die Endplatzierung, was sofort nach einer richtig schlechten Leistung klingt. Man könnte auch schreiben: »Um zwei Hundertstel am Sieg vorbei.« Als Sportler liest man »Nur Zweiter« und denkt: Hey, was heißt hier nur? Ich bin um einen Wimpernschlag später ins Ziel gefahren, und ihr tut so, als wäre ich nach dem dritten Tor wie ein Amateur ins Fangnetz gedonnert. Es ist schwierig, das nicht an sich heranzulassen. Man hat den Druck, den Ruf als Gewinnertyp zu verteidigen.
    Die zweite Art von Druck ist der mediale, den man verspürt, wenn man weiß, dass die ganze Welt zusieht. Für Stratos haben wir jahrelang Tests gemacht, und die Medien waren nicht dabei. Dann sind wir an die Öffentlichkeit gegangen, und plötzlich stand ich auf einer ganz anderen Showbühne. Alle schauen zu, wollen Mitspracherecht und haben auch das Gefühl, sie müssten mitreden. Das macht es enorm schwierig.
    Die dritte Art von Druck ist die physische Unannehmlichkeit, wenn dir ständig jemand eine Kamera ins Gesicht hält, obwohl du eigentlich arbeiten willst. Solange alles gut läuft, ist das nicht so schlimm. Da macht man gern mal ein Interview oder lässt eine Kamera dabei sein. Aber wenn es nicht läuft, ist das Letzte, was man braucht, eine Kamera oder irgendein Interview. Die BBC war beim Stratos-Projekt fünf Jahre lang unser Begleiter, und die mussten natürlich zu jedem Zeitpunkt in diese Geschichten involviert sein, weil genau das die Authentizität bringen sollte: die Höhen und Tiefen. Aber wann immer die Kamera lief, konnte ich nicht so sprechen, mich so natürlich verhalten, wie es eigentlich bei einem solchen Projekt nötig gewesen wäre. Ich durfte nicht fluchen, nie das erlösende F-Wort sagen, konnte nicht offen auf diesen oder jenen Fehler hinweisen. Diese ständigen Kameras lenkten ab, störten uns. Ich sagte zu den BBC -Jungs: »Sorry, aber wir müssen auch mal was arbeiten.«
    Die Wissenschaftler waren die Kameras erst recht nicht gewohnt. Ein Wissenschaftler ist in der Regel kein großer Redner, hat sein ganzes Leben lang im stillen Kämmerchen geforscht, und jetzt soll er auf einmal vor der Kamera etwas sagen und nebenbei noch seine komplizierte Arbeit verrichten. Das konnte nicht funktionieren und führte zu zahlreichen Auseinandersetzungen. Das war kräfteraubend und ging an die Substanz, obwohl ich eigentlich all meine Energie für dieses Riesenprojekt brauchte.
    Das war bei Stratos ein großes Thema: Wie kann ich Probleme regeln, ohne dass sie mich Substanz kosten? Während der kompletten Stratos-Vorbereitung habe ich dafür keine Lösung gefunden. Ich hatte mit meinem Kumpel Richard jemanden, der gewisse Dinge für mich regeln konnte. Aber zugleich musste ich mir auch selbst über die ein oder andere Sache klar werden, herausfinden, warum die Dinge an meine Substanz gingen. Und ja:

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