Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Titel: Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Baumgartner
Vom Netzwerk:
Ich mache diese 30-Sekunden-Übung öfter, auch zu Hause. Mike weiß einfach so viele Sachen. Da ist nichts Mystisches dabei, nichts, wo du sagst: »Der Wahnsinn!« Aber er holt aus seiner Werkzeugkiste einfach immer die richtigen Dinge heraus, manchmal ganz banale: »An was Positives denken? Na klar, ist doch logisch.« Nur: Man muss es dann auch wirklich tun.
    Mike hat in sehr kurzer Zeit herausgefunden, wie ich ticke. Ich erzähle ihm, wie ich mich den Tests im Anzug bisher immer angenähert habe. Meistens geht der Stress drei Tage vorher los: Da habe ich schon keine Kraft und Energie mehr, lasse mein Krafttraining ausfallen, bin nicht motiviert. Ich muss ständig an diesen Test und den Anzug denken, da kann ich nicht auch noch trainieren. Selbst bei so banalen Dingen wie einem Restaurantbesuch fange ich schon an, mich abzuschotten, bleibe lieber daheim, koche mir selbst was, habe keine Lust auf Öffentlichkeit. Und bin heilfroh, dass noch ein Tag dazwischen ist, dass ich noch diesen Puffer habe. Einen Tag vor dem Test merke ich dann, wie der Puls ein bisschen raufgeht und der Kopf sich mit nichts anderem mehr beschäftigt. Mich interessiert jetzt kein Film, kein Fernsehen, ich beantworte keine E-Mails mehr. Der Fokus liegt nur noch auf dieser einen Geschichte: dem Test. Und im Hinterkopf: Mist, da ist ja der Anzug involviert.
    Richtig heftig wird es, wenn ich mich vor meinem Apartment in Santa Monica ins Auto setze und weiß: In zwei Stunden steige ich in Lancaster aus – und dann muss ich in den Anzug. Unterwegs sind meine Meilensteine: Wenn ich an diesem großen, markanten Tankstellenzeichen vorbeifahre, ist es nur noch eine Stunde bis Lancaster. Oder in Lancaster: Da geht die Autobahn über einen Hügel, von dem aus man runtersieht auf die Stadt. Da sind Lockheed und viele andere große Firmen mit ihren Fertigungshallen – und jetzt bin ich schon fast da. Ich fahre auf unser Gelände, parke das Auto, gehe rein, an der Sekretärin vorbei: lauter Bilder, die ich schon kenne, lauter Einzelstationen hin zum Unvermeidlichen, mitten rein ins Negative.
    Mike hört zu und erklärt mir meine Gedanken: »Weißt du, was du machst? Brooks ist dein Getto. Du sitzt im Zug der negativen Gedanken, mit der Endstation Getto. Da ist das Tankstellenzeichen, da ist der Hügel: alles Dinge, die im Getto enden. Du müsstest aber auf der ersten oder zweiten Station abspringen. Du weißt genau, der Zug endet im Getto, und du bleibst drauf. Der Zug fährt ins Verderben, und du bleibst sitzen. Du musst abspringen von diesem Zug, nach einer Station, nach zwei Stationen, so schnell wie möglich.«
    Train of negative thoughts : So hat Mike das genannt. In der Nacht habe ich das, was er mir erklärt hat, in zeichnerischer Form verarbeitet, in ein paar Skizzen. So wirkt all das noch mal nach: Der Anzug macht mich zum Helden. Morgen ist ein Test, aber morgen Abend werde ich diesen Test bestanden haben. Dann bin ich wieder einen Schritt weiter im Projekt. Das Team ist happy, Red Bull ist happy. Ich muss schauen, dass ich abspringe vom Gettozug. Am Abend werden wir bei der Nachbesprechung sitzen, und ich kriege meine fünf Häkchen, damit habe ich Test eins bestanden. Mit dem Erfolg gehe ich in die nächste Runde. Morgen sind es dann sechs Häkchen. Think positive ! Es kann so einfach sein.
    Die nächste Lektion verläuft nach einem inzwischen gewohnten Muster. Mike stellt Fragen und beantwortet sie gleich selbst: »Was kannst du in deinem Leben beeinflussen? Kannst du deine Freundin beeinflussen? Nur bedingt. Kannst du das Wetter beeinflussen? Eher nicht. Kannst du dein Team beeinflussen? Bis zu einem gewissen Grad schon. Aber wenn Art morgen sagt: ›Ich schmeiße alles hin‹, oder er einen Herzinfarkt bekommt, dann ist der Projektleiter weg. Das kannst du nicht beeinflussen. Unterm Strich, wenn es knallhart kommt, ist das Einzige, was du beeinflussen kannst, dein eigenes Denken. Ist das Glas halb voll oder halb leer? Sehe ich dem Test morgen positiv entgegen oder negativ? Falls der Test nicht gut ist, kannst du immer noch sagen: ›Was war gut an dem Test? Die ersten zehn Minuten waren super, da habe ich mich echt motiviert gefühlt, da habe ich alles zusammengebracht. Okay, dann lass uns doch die ersten zehn Minuten wiederholen!‹«
    Interessant: Was Mike mir da erzählt, kann man im ganzen Leben gebrauchen: bei der Arbeit, bei Gehaltsverhandlungen, in der Beziehung. Es geht immer von einem selbst aus, wie man die Dinge sieht. Wenn man

Weitere Kostenlose Bücher