Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)
»Schwachsinn, das gibt’s nicht. Das bildet ihr euch ein.« Aber es kommen immer mehr, die den Knall gehört haben wollen. Verrückt! In diesem Moment ist mir das selbst noch gar nicht so wichtig.
*
Nun ging es mit dem Helikopter zurück zur Mission Control, zum Glück mit dem richtigen Heli, nicht mit dem Arzt. Schon beim ersten und zweiten Testsprung hatte ich es irrsinnig genossen, im Helikopter zu sitzen, in 50 Metern Höhe über die Wüste zu rauschen, den Anzug noch am Körper – ein cooles Gefühl. Ich wusste: Test bestanden, jetzt ist wieder mal ein Monat Ruhe. Das war immer ein schöner Belohnungsflug, dieser Flug zurück. Ich fliege ja gern Hubschrauber. Du sitzt da drin, bist frei und entspannt, du lebst, hast deinen ersten Testsprung gemacht. Beim zweiten sagst du: »Cool, jetzt noch mal!« Auf den letzten zwei Minuten dieses halbstündigen Fluges, bevor du ankommst, siehst du schon die Mission Control, drehst noch eine Runde um den Tower, grüßt zu den Jungs rüber. Schöne Momente.
Beim Flug nach dem großen Sprung war es ähnlich. Ich saß mit unserem Piloten Aaron Fitzgerald vorn, Mike und ein ungarischer Fotograf hinter mir. Uns allen war klar: Es ist vorbei. Wir haben es geschafft. Felix ist gesprungen, er lebt, und Überschall ist er wahrscheinlich auch geflogen. Was für eine Befriedigung, was für ein Genuss, da drinnen zu sitzen und zu wissen: Gleich stehen da mein Vater, meine Mutter, mein Bruder, Nicole, meine Freunde, das ganze Team. Vor fünf Stunden haben wir uns zum letzten Mal gesehen. Da war alles noch im Ungewissen, und jetzt sind da nur noch das Glück, überlebt zu haben, und der Erfolg.
Ich habe es so genossen, in diesem Helikopter zu sitzen, dass mir erstmals die Tränen gekommen sind. Ich habe sonst nie Tränen vergossen, mal abgesehen von meinem Anzugdrama am Flughafen. Aber im Heli hat es mir ein paarmal richtig das Wasser in die Augen gedrückt. Es ist vorbei. Die Gefängnistür ist offen, ich bin draußen, und jetzt habe ich wieder die Freiheit, alles zu tun, was ich möchte.
Der Anflug zur Mission Control. Eine Runde am Tower vorbei, rüberwinken, die Menschenmenge auf den Balkonen, die Satellitenschüsseln. Alle Kameras waren auf mich gerichtet: Am liebsten hätte ich dieses Bild jetzt eine halbe Stunde lang zelebriert, in Zeitlupe. Der Moment, in dem ich wieder zurückkomme, der Mutter und der Freundin um den Hals falle, und jeder ist einfach nur unendlich erleichtert. Der kommt nie wieder, dieser Moment. Mir war klar, ich würde nie wieder in meinem Leben etwas machen, das diese Größe und diese Dimension haben würde. Deshalb musste ich jeden Moment aufsaugen: das Aussteigen, die erste Kufe, auf die ich runtersteige. All der Ärger der vergangenen fünf Jahre, alle Rückschläge waren vergessen.
Ich fiel Joe um den Hals, meinem Vater, meiner Mutter, Nicole und allen anderen. Das war Wahnsinn! Ich konnte nicht glauben, was ich da sah, gerade bei meinem Vater. Ich glaube, der hatte so etwas in seinem Leben noch nie erlebt. Er hatte nie große Emotionen gezeigt, außer beim Tod seines Vaters. Und Joe sagte: »Jetzt gehört der Rekord dir.« Aber ich wusste genau, ich würde immer das Licht auf ihn scheinen lassen, auf diesen großen alten Mann.
Ein richtig schöner Moment war dann der Gang rüber zum Trailer, den ich vor sechs Stunden verlassen hatte. Dieses Gefühl zu wissen: Jetzt ziehe ich den Anzug aus – für immer! Ich saß noch mal da mit Mike. Das wollte ich mit ihm richtig zelebrieren: die Rüstung Schritt für Schritt ablegen, wieder zum normalen Menschen werden. Noch einmal den Reißverschluss öffnen, Handschuhe und Höhenmesser runter, und das war es dann. Eine lange Reise ging zu Ende. Egal, wie sehr ich ihn am Ende im Griff hatte, mein Freund ist der Anzug nicht geworden. Ich stieg endlich aus diesem Ding, und es fühlte sich gut an. Das war einer der besten Momente überhaupt.
Es folgten Pressekonferenzen und lange Interviews. Dinge, die ich hasse, aber über mich ergehen lassen musste, obwohl ich diese Momente nur noch mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen wollte. Nach dem Pressetermin habe ich meinen engsten Kreis um mich versammelt: »Lasst uns doch noch mal zu Starbucks fahren!« Dort hatten wir schon Hunderte Stunden verbracht, das war unser Anlaufpunkt in Roswell. Dann sitzt du da, und alles, was jetzt passiert, passiert unter einem anderen Gesichtspunkt. Nicht mit dem Gedanken an morgen, übermorgen oder nächste Woche. Die
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