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Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Titel: Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Baumgartner
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Roswelians kamen vorbei, um mir zu gratulieren, auch ein Polizist: »Hey Felix, ich habe dich im Fernsehen gesehen.« Auf einer Kreidetafel im Starbucks stand: » Congratulations Felix ! You did it !« Der Iced-Mocca ohne Sahne war immer mein Kaffee dort gewesen, die größte Tasse. Von denen hatte ich so einige getrunken. Ein richtig schöner Ausklang: abhängen, nichts mehr machen.
    Am Abend um acht gab es die große Party mit der ganzen Mannschaft, bei Andre im »Cattlebaron«. Dort bin ich meistens zum Essen gewesen und habe Lachs mit Reis gegessen, und davon jeden Tag, weil ich das gut vertragen habe und davon fast keine Magenverstimmung bekomme. Wenn ich heute Lachs mit Reis esse, ist es fast, als wäre ich zurück im Gefängnis. Der Geschmack hat sich eingebrannt.
    Joe hat dann eine tolle Rede gehalten. Er war bekannt für seine Ansprachen und seine Ausdrucksweise: immer auf den Punkt, von Menschlichkeit geprägt. Joe ist sein Leben lang ein umgänglicher Mensch geblieben, und das sind nicht alle, die so viel geleistet haben wie er. Diesen Humor, dieses Menschliche haben die wenigsten dieser Jungs, weil sie meistens vom Militär kommen und eher hart und kontrolliert sind. Auf Joes Rede folgte die des Bürgermeisters von Roswell. Er redete bestimmt eine halbe Stunde lang – und ernannte Joe und mich zu Ehrenbürgern! Wir bekamen den Schlüssel der Stadt, und außerdem wurde ein Feiertag nach mir benannt, der von da an jedes Jahr am 14. Oktober in Roswell begangen werden sollte. Wegen mir haben die Leute am 14. Oktober künftig frei! Bis zwei Uhr in der Früh habe ich Autogramme geschrieben, mich mit meiner ganzen Mannschaft fotografieren lassen – und es eigentlich nicht wirklich genießen können. Du möchtest in der Ecke sitzen mit deinen Freunden und sagen: »Jungs, es ist vorbei.« Keine Chance, und darunter habe ich gelitten, dass ich diese unwiederbringlichen Momente nicht auskosten konnte.
    Als sich die Party auflöste, wusste ich, dass ich nicht würde schlafen können. Ich hatte Angst, etwas zu versäumen. Es zerriss mich vor Tatendrang. Ich war endlich in Freiheit: »Hey Jungs, was machen wir jetzt?« Ich bin dann mit Helmut Wahl um fünf in der Früh noch mal rausgefahren zur Mission Control. Nur dasitzen und in die Wüste schauen. Am Tag zuvor hatte um diese Uhrzeit geschäftiges Treiben geherrscht, jetzt war Ruhe. Da arbeitete keiner mehr, da stand keine Kapsel mehr draußen, kein Mensch war mehr da. Die anderen waren alle im Bett. Wir würden vielleicht irgendwann mal nach Roswell zurückkehren, aber die Mission Control würde nicht mehr dastehen. Dann wäre hier nur noch Wüste.
    Wir saßen dort draußen und schauten, wie es langsam hell wurde. So wie am Tag zuvor, nur dass ich den Sonnenaufgang da aus dem Bullauge meines Trailers gesehen hatte, mit einem Helm auf dem Kopf, nicht wissend, was der Tag bringen würde. Was für ein Unterschied: warme Sonnenstrahlen, die ich erstmals nach Jahren ohne diesen enormen Druck spürte! Ein Tag beginnt, gestern um die Uhrzeit hast du gehofft, dass er Gutes bringt. Heute schaust du zurück, aber nur, um zu sehen, wie weit du gekommen bist. Wir hatten der Welt bewiesen, was lange Zeit für unmöglich gehalten worden war.
    *
    Und dann war da noch der Ballon. Er ist eine Weile nach meiner Landung geborgen worden, genau wie die Kapsel. Jetzt lag er auf einem Lastwagen wie ein toter Riese. So hatte ich den Ballon noch nie gesehen. Am Vortag war dieses fragile Ding noch das Wichtigste auf der Welt gewesen. An dem Ballon hatte alles gehangen. Ich kletterte hinauf, stellte mich auf ihn und sagte leise: »Danke.« Zum Abschied schnitt ich ein großes Stück heraus und nahm es mit nach Hause.
    Diese Zeit der Stille nach dem Sprung, nach dem großen Rummel war mir sehr wichtig. Mich noch mal mit Helmut und Mike, meinem Performance-Coach, auszutauschen, mit etwas Abstand. Zusammen dazusitzen und den Erfolg zu inhalieren. Das konnte ich nicht mit jedem teilen, nicht einmal mit der eigenen Freundin, weil sie in vielen der kritischen Momente nicht dabei gewesen war. All das mit den betroffenen Leuten noch mal aufzuarbeiten, das war für mich ein außergewöhnlicher und wichtiger Vorgang.
    Wobei ich es mit dem Analysieren auch nicht übertreiben wollte. Jemand hat einmal folgenden Gedanken mit mir geteilt: Man stellt sich immer die Frage, bin ich den richtigen Weg gegangen, damals als ich links statt rechts gegangen bin? Die Antwort lautet immer: ja. Weil es egal ist,

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