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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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worden. Die Rumpfsparren waren wie gebrochene Rippen abrasiert. Jeder wusste, dass die Chinesen sehr gute Materialwissenschaftler hatten, aber dieses Schiff hatte einen kräftigeren Stoß einstecken müssen, als selbst die beste Ausstattung vertragen konnte.
    Parry stocherte mit der Handlampe in den Trümmern und machte sich darauf gefasst, was er finden würde: einen tapferen Raumfahrer, an seinen Sitz geschnallt, zu etwas zermanscht, das ihm für den Rest seines Lebens Alpträume bereiten würde.
    Aber da war niemand.
    Er richtete seine Lampe auf die Rückseite des Schiffes und sah eine Tür, die auf beiden Seiten von chinesischen Schriftzeichen gesäumt wurde. Er suchte sich einen Weg durch die Trümmer und klopfte an die Tür. Er wartete, aber wieder keine Reaktion. Er konnte nicht sagen, ob es auf der anderen Seite Atemluft gab. Wenn sich dort Vakuum befand, würde ihm die Tür aus der Hand gerissen, sobald er die Verriegelung löste. Er sicherte sich, um gegen ein plötzliches Ausströmen der Luft gewappnet zu sein, dann machte er sich an die Arbeit. Doch die Tür schwang ohne Schwierigkeiten auf.
    Er leuchtete in den Raum und sah sofort den Chinesen in leichter Kleidung. Er lag auf dem Rücken auf einer schwer gepolsterten Liege, die zur Heckseite des Schiffs zeigte. Er war wie ein Psychiatriepatient mit dicken Gurten festgeschnallt. Ein Arm war in einem seltsamen, anatomisch problematischen Winkel verbogen. Er hatte die Augen geschlossen, die Lider waren schwärzlich angelaufen. Er schien tot zu sein.
    Parry näherte sich dem Mann und beugte sich über ihn, bis die Scheibe seines Helms nur noch eine Fingerbreite vom Mund des Mannes entfernt war. Ein winziger Atemhauch kondensierte auf dem Glas.
    »Ryan«, sagte Parry. »Sie sollten sofort rüberkommen. Es gibt einen Überlebenden. Er scheint nicht in guter Verfassung zu sein.«
    »Was ist mit den anderen?«, fragte Axford zurück.
    »Es gibt keine anderen. Nur diesen einen. Diesen … Jungen.«
    Der Mann öffnete die Augen. Sie schimmerten rot durch die schwarzen Lidschlitze. Unter starken Ge-Kräften war es zu inneren Blutungen in den Augen gekommen, als sie unter extremer Beschleunigung zusammengepresst worden waren. Er schien gehört zu haben, wie Parry im Helm gesprochen hatte. Er versuchte einen Arm zu heben und gab es kurz danach wieder auf. Schmerzen zeichneten sich auf seinem Gesicht ab.
    »Bleiben Sie ruhig«, sagte Parry. Er nahm seinen Helm ab, ohne einen Gedanken an das mögliche Risiko zu verschwenden, und ließ ihn zu Boden schweben. »Sie sind Wang, nicht wahr?«
    Die Lippen des Mannes bewegten sich. Sie waren ausgetrocknet und sehr spröde. Mit geisterhafter Stimme sagte er: »Kommandant Wang Zhanmin.«
    »Parry Boyce«, sagte er. »Von der Rockhopper. Willkommen auf Janus.«
    »Ich glaube, ich habe mir beim Absturz etwas gebrochen«, sagte Wang matt.
    »Gleich kommt ein Arzt. Wir werden uns um Sie kümmern. Wir kriegen Sie schon wieder hin.«
    »Wohin werden Sie mich bringen?«
    »In die Rockhopper«, sagte Parry.
    »Sie müssen noch etwas tun, bevor Sie die Shenzhou Fünf verlassen, bevor sie sich tiefer ins Eis schmilzt.« Wang hob einen Finger und richtete ihn auf das Heck des Schiffes. »Im hinteren Lagerraum befindet sich etwas, das ich Ihnen mitgebracht habe.«
    »Sie etwas für uns mitgebracht?«
    Wang nickte leicht. »Ich dachte, es könnte sich als nützlich erweisen. Ich habe es gerade noch geschafft, es mitzunehmen, bevor ich abkoppeln musste. Betrachten Sie es als Geschenk des chinesischen Volkes.«
     
    Parry ließ die Avenger bei minimalem Schub aufsetzen und wirbelte nur eine kleine Wolke aus gekochtem Eis auf. In einem Hartschalen-Orlan stieg er aus dem Beiboot. Elias Feldman, Hank Dussen und Gillian Shimozu folgten ihm. Sie eskortierten zwei gefesselte Gefangene, die leichtere Raumanzüge älteren Modells trugen. Sie liefen in weitem Bogen über das Eis, bis sie sich etwa hundert Meter vom Beiboot entfernt und eine Stelle erreicht hatten, die auf zehn Metern Durchmesser von einem Kreis aus projiziertem Laserlicht erhellt wurde, das vom fernen Umriss der Rockhopper kam. Der Kreis grenzte sich scharf von der Umgebung ab, als wäre er mit Kreide gemalt. Ihre Schatten waren tiefschwarz, so dunkel wie die interstellare Nacht.
    Parry ließ die kleine Gruppe im Zentrum des Kreises anhalten. Die gefesselten Gefangenen mussten sich nebeneinander auf dem Eis niederknien, während Feldman, Dussen und Shimozu hinter ihnen in Stellung

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