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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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den wissenschaftlichen Stand der Menschheit zum Zeitpunkt der Zäsur weit überstiegen.
    Die gläserne Röhre führte in eine Kuppel am Fuß der Botschaft. Sie war von mehreren transparenten Schichten umgeben, die sanft in einem beruhigenden Violett schimmerten. Während sie über den Boden schritten, wuchsen zwei Zylinder aus der glatten Oberfläche. Thale und Bella traten durch türähnliche Öffnungen an den Seiten. Bella blieb stehen und wartete, dass sich ihr Zylinder um sie schloss. Kurz darauf zog sich das Gebilde zusammen, bis die Innenwände nur noch wenige Zentimeter von ihrem Körper entfernt waren. Durch das optisch perfekte Glas sah sie, wie Thaies Zylinder ebenfalls auf etwas zusammengeschrumpft war, das an eine dicke Flasche erinnerte.
    Sie setzten sich in Bewegung, und Bellas Umhüllung passte sich an. Sie beulte sich aus, indem sie den Bewegungen ihrer Arme und Beine folgte. Es geschah so schnell, dass Bella es niemals schaffte, das Glas zu berühren. Thale ging voraus und verließ die Kuppel, worauf er eine sanft ansteigende helixförmige Rampe hinaufschritt, die in ein höheres Stockwerk der Botschaft führte. Bella wusste, dass unterwegs die Atmosphäre wechselte und gegen das dichte und giftige chemische Gebräu ausgetauscht wurde, das die Perückenköpfe zum Überleben benötigten. Die Schwerkraft erhöhte sich ebenfalls, aber davon spürte sie innerhalb der schützenden Hülle nichts.
    Über die Helix gelangten sie in das, was Bella für sich immer als diplomatischen Empfangsbereich bezeichnet hatte. Es war ein riesiger Raum, der bestimmt ein Drittel des Zentralturms der Botschaft einnahm und wie ein ausgeschlachteter Wolkenkratzer wirkte. Leuchtende Pastellmotive umgaben den Raum und wirkten – zumindest für Bella – wie große Buntglasfenster von kunstvoller abstrakter Gestaltung. Kantige, stachelige Strukturen stürzten sich von der fernen Decke herab und waren von illuminierten Fäden durchsetzt. Es hatte keinen Sinn, sich über die Gravitationskräfte Gedanken zu machen, die sich bemühten, sie niederzureißen. Noch war hier kein Perückenkopf eingetroffen, aber – wie sie erwartet hatte – wurden sie von Jim Chisholm begrüßt.
    Er sah immer noch menschlich aus, doch sie fragte sich, wie weit diese Ähnlichkeit tatsächlich ging. In der Umwelt der Perückenköpfe benötigte Chisholm keinen sichtbaren Schutz. Wenn er, was immer seltener geschah, nach Crabtree zurückkehrte, gelang es Axford manchmal, ihn medizinisch zu untersuchen. Doch der Arzt fand nie etwas Ungewöhnliches, das darauf hingedeutet hätte, dass der Mann bis hinunter zur Biochemie seiner Körperzellen nicht menschlich war (und Axfords Instrumente waren inzwischen wesentlich leistungsfähiger geworden). Doch das war Chisholm in Crabtree, und nun hatten sie es mit Chisholm in der Botschaft der Perückenköpfe zu tun, und diese zwei Erscheinungen mussten nicht notwendigerweise identisch sein.
    Er lächelte, breitete zum Gruß die Hände aus und forderte sie auf, weiter in den Raum zu treten. »Es freut mich, dass wir dich endlich dazu überreden konnten, Bella«, sagte er. Seine Stimme klang so klar und normal, als würden sie zusammen an einem Tisch sitzen, als wären sie nicht durch mehrere Meter toxischer Atmosphäre voneinander getrennt.
    »Du hast schon immer über große Überzeugungskraft verfügt«, sagte Bella.
    »Du hast nichts zu befürchten«, erwiderte er. »Nicht das Geringste. Seit damals haben sie große Fortschritte gemacht. Damals haben sie drei Tage gebraucht – kannst du dir so etwas vorstellen?«
    »Ich kann mir vorstellen, dass man durch Übung viel erreicht.«
    »Wahrscheinlich hast du recht.« Er trug ein weites Gewand in Beigetönen, das – zumindest auf Bella – den Eindruck eines untergeordneten Würdenträgers einer Theokratie machte. Sein Haar war länger als je zuvor und in Wellen nach hinten gekämmt. Nach zwanzig Jahren wies er kaum sichtbare Alterungsspuren auf, nur ein paar Fältchen am Mund und auf der Stirn, aber das war auch schon alles. Das war typisch für alle, die sich einer Verjüngung unterzogen. Die wenigen Anzeichen des Alterns traten viel langsamer als zuvor auf. Die Lesebrille mit den halben Linsen, die er weiterhin trug, konnte nur eine Marotte sein. »Bella«, sagte er, »wenn wir es hinter uns haben … wenn sie dich wieder jung gemacht haben …«
    Sie erkannte an seinem Tonfall, worauf er hinauswollte. »Jim …«
    »Du weißt, dass es nicht verboten ist,

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