Himmelssturz
nicht allzu viel getrunken hatte. Ihr Geist war jetzt klar wie Gin, doch darin hallten immer noch die weltverändernden Überlegungen nach, die Svetlana bei ihrer erneuten Kontaktaufnahme angestellt hatte.
Es war nicht damit zu rechnen, dass sie je wieder enge Freundinnen sein würden. Dazu war Bella viel zu realistisch. Aber wenn sie einfach nur normal umgehen konnten, wäre das eine gewaltige Verbesserung gegenüber dem Zustand, der seit der Krise an Bord der Rockhopper geherrscht hatte. Auch wenn eine Freundschaft ausgeschlossen war, konnten sie vielleicht wieder zu so etwas wie Verbündeten werden.
Die Wandlung hätte sie beleben müssen, und sie verspürte tatsächlich eine erneuerte Tatkraft. Zumindest für eine Weile. Sie beschäftigte sich mit Verwaltungsdingen und versprach sich selbst, mehrere Angelegenheiten abzuschließen, die sie schon viel zu lange vor sich hergeschoben hatte, einschließlich der Untersuchung des Bagley-Falls. Mit neuem Optimismus genehmigte sie Mittel für eine Reihe von Projekten, nachdem sie mehrere Wochen lang gezaudert hatte, ob sie förderungswürdig waren. Neue Perpetuum-Mühlen, neue Magnetbahnstrecken, ein neuer Schwung serieller Computerprozessoren, mit denen die anspruchsvollen Analysen bewältigt werden konnten, die das Ofria-Gomberg-Institut benötigte. Ein Angebot von den Perückenköpfen, zwei weitere Löcher im Himmel zu bohren, um das Gedränge in Underhole zu entlasten. Der Startschuss für eine Machbarkeitsstudie der Crabtree-Kuppel, die die gesamte Siedlung bis zu den Vorstädten Mairville und Shengtown überspannen und doppelt so hoch wie das Verwaltungshabitat emporragen würde. Ein noch langfristiger angelegter Plan, den leeren Raum zwischen Janus und dem Eisernen Himmel mit Atmosphäre zu fluten, damit sie schließlich ganz auf die Kuppeln verzichten konnten.
Solche Angelegenheiten hätten normalerweise Bellas vollständige Aufmerksamkeit beansprucht, doch nun musste sie die ganze Zeit an ihr Gespräch mit Svetlana denken. Es gelang ihr einfach nicht, die Zweifel abzutun, die Svetlana hinsichtlich der Aufrichtigkeit der Perückenköpfe geäußert hatte.
Bis Mittag hatte sie viel mehr geschafft als sonst an einem ganzen Arbeitstag. Wie vereinbart traf sie sich im Arboretum mit Parry Boyce und lud ihn zum Essen ein, wobei sie ihm von ihren Fortschritten im Fall Bagley erzählte.
»Vor fünfzehn Jahren dachte ich, es würde sich endlich etwas bewegen«, sagte sie, während sie aus Picknicktüten aßen, »aber dann habe ich die Sache wieder fallen gelassen. Ich hatte mir zu große Sorgen gemacht, ich könnte schlafende Hunde wecken. Aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen.«
Parry fragte sie, was sie von ihm erwartete. Bella erklärte ihm, dass sie genauere Informationen über die Logbücher des Außeneinsatzteams brauchte, wie leicht es wäre, sie zu löschen oder zu fälschen und das Flextop-Sterben als Tarnung zu benutzen.
»Für jemanden, der drinsteckt, wäre es sehr leicht«, sagte Parry. Er hatte sich vor dreißig Jahren verjüngen lassen, sodass sein biologisches Alter nun etwa bei Anfang sechzig lag. Sein Schnurrbart war grau, sein Haar lugte in spärlichen grauen Locken unter der uralten, verblassten roten Mütze hervor, die die Spuren zahlloser Reparaturen zeigte. Er war immer noch stämmig und hatte die natürliche Muskulatur von jemandem, der viel Zeit in Bereichen mit hoher Schwerkraft verbrachte.
»Müsste es nicht irgendwo ein Backup geben?«
Parry verzog das Gesicht. »Nach so langer Zeit willst du es plötzlich ganz genau wissen, was?«
Bella warf einem bettelnden Eichhörnchen ein paar Essensreste zu. Es war eins der genetisch rekonstruierten Säugetiere, die das Arboretum bevölkerten. »Dreiundvierzig Jahre sind inzwischen gar nicht mehr so viel Zeit.«
»Du wirst ziemlich viel Staub aufwirbeln.«
»Lieber jetzt als später. Ich kann es nicht noch einmal fünfzehn Jahre lang schleifen lassen, Parry. Wir müssen jetzt die letzte offene Wunde operieren, damit wir anschließend zur Tagesordnung übergehen können.«
»Wahrscheinlich hast du recht.«
»Du weißt, dass ich recht habe. Als damals Thom Crabtree ermordet wurde, hast du dich dafür eingesetzt, die schuldigen Männer zu bestrafen. Es war schnell, brutal und wirksam. Ich habe es dir noch nie gesagt, aber ich war rundum damit einverstanden, wie du es gemacht hast.«
Sie sah, wie Schmerz in seinen Augen aufflammte, als hätte sie Erinnerungen in ihm wachgerufen, die er
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