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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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schief im Sessel, ihr Körper schien inzwischen genauso weich zu sein wie der der Katze.
    »Dieser Chip«, sagte Daniel. »Wann wurde der in mein Gehirn gepflanzt?«
    »Gleich nachdem du die Zone 2 betreten hast«, antwortete Gisela Obermann ruhig.
    Daniel versuchte, die aufkommende Panik in Schach zu halten. Er war nach dem Stromstoß bewusstlos gewesen. Bewusstlos und dann in Narkose? Er erinnerte sich, dass er nach dem Aufwachen schreckliche Kopfschmerzen gehabt hatte.
    Er hatte jedoch keine Operationsnarbe am Kopf bemerkt. Aber vielleicht hinterließ ein kleiner Chip keine großen Spuren? Er fuhr sich mit den Fingerspitzen über den Kopf. Er sah den Chip vor sich, eine kleine metallisch glänzende Schuppe, scharf wie eine Rasierklinge, und er bildete sich ein, sie im Gehirn zu spüren.
    »Ich laufe also seit zwei Monaten mit einem Chip im Gehirn herum?«
    »Nein, nein. Du hast ihn seit …« Gisela Obermann schloss ein Auge und dachte nach. »Ein Jahr muss das her sein. Etwas mehr als ein Jahr. Es gibt immer Probleme und Widerstände, bis wir die Bewohner in der Krankenabteilung haben wollen, wir haben also die Gelegenheit genutzt, als du da warst. Du warst ja ziemlich lang bewusstlos, nachdem sie dich im Straßentunnel gefunden haben.«
    Daniel musste laut lachen. Die Erleichterung war so groß, dass er nicht aufhören konnte zu lachen. Gisela lachte betrunken mit.
    »Danke für die Informationen, Frau Doktor. Jetzt will ich nicht mehr stören, es war nett zu sehen, wie es Ihnen in dieser friedlichen Oase so geht.«
    »Friedliche Oase? Hier?« Gisela Obermann starrte ihn mit verschwommenen Augen an. »Mein Lieber, das hier ist eine Schlangengrube. Wir fressen uns gegenseitig auf. Wenn ich nur wüsste, wo ich hinsoll, würde ich keine Minute länger bleiben. Aber ich habe alle Brücken hinter mir abgerissen. Ich habe alles auf dieses verdammte Tal gesetzt.«
    Sie schniefte, hob die willenlose Katze unter den Vorderbeinen hoch und drückte sie gegen ihr Gesicht wie ein großes weißes Taschentuch.
    Als Daniel durch den Garten ging, hoffte er, dass ihn die beiden Ärzte nicht erkannten, die auf einem der Sitzplätze in der Herbstsonne saßen. Wenn sie feststellen würden, dass er in ihre geschützte Enklave eingedrungen war, stünde es schlecht um ihn.
    Aber die Männer waren so miteinander beschäftigt, dass sie ihn nicht bemerkten. Fetzen ihres erregten Gesprächs erreichten ihn, als er eilig an dem Beet mit den verblühten Rosen entlangging.
    »Auf Wiedersehen, Doktor Brant«, sagte der Wachmann und verbeugte sich lächelnd, dann ging das Tor auf.
     
    Wie viel von Gisela Obermanns Geschichte war wahr?
    Er erinnerte sich, dass der Friseur erzählt hatte, Mattias Block habe ein Gerät gehabt. War das so ein Instrument, wie Gisela Obermann es beschrieben hatte?
    Daniel versuchte, sich an alle Begegnungen mit Corinne zu erinnern, aber einen Gegenstand, den man »Apparat« oder »Gerät« nennen könnte, hatte sie nie dabeigehabt.
    Das Armband! Das Armband mit den flachen, gefärb
ten Steinen, das sie immer anhatte. Ob sie trainierte, boxte oder liebte. An dem sie herumgefingert hatte, als er ihr einmal zu nahe kam: »Es erinnert mich daran, wer ich bin.«

 
    49  Für einen Klinikchef hatte Karl Fischer ein erstaunlich bescheidenes Arbeitszimmer. Es lag ganz hinten im Korridor der Ärzteetage und war erheblich kleiner als das von Gisela Obermann. Da es nicht zum Tal hin lag, sondern vor dem etwas deprimierenden Geröllhaldenberg, hatte der Architekt auf ein Panoramafenster verzichtet. Mit seinem Schreibtisch, einem halbleeren Bücherregal und ein paar harten Stühlen machte der Raum einen fast asketischen Eindruck. Keine Vorhänge. Keinerlei Wandschmuck.
    »Ich bin froh, dass Sie mich empfangen«, sagte Daniel. »Und ich bitte um Entschuldigung, dass ich so spät komme.«
    Er hatte sich an diesem Tag schon ein paar Mal um einen Termin bemüht, aber erst jetzt, gegen acht Uhr abends, den Bescheid bekommen, dass Doktor Fischer ihn empfangen würde.
    Der Doktor zog einen der harten Stühle heran und stellte ihn an den Schreibtisch.
    »Ich freue mich, dich hier zu haben, mein Freund. Setz dich. Was verschafft mir die Ehre?«
    »Als Erstes: das hier.«
    Daniel legte das Papier auf den Schreibtisch.
    Karl Fischer schob die Lesebrille von der Stirn auf die Nasenspitze und überflog es.
    »Aha«, stellte er fest. »Dein Krankenblatt.«
    »Das ist die erste Seite von Max' Krankenblatt, so wie es aussah, als er hier in

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