Himmelstal
sein kann.«
Die Ärzte schauten sich schweigend und verwirrt an.
Hedda Heine beugte sich vor:
»Sind Sie wirklich sicher, Frau Simmen?«
Corinne nickte.
»Ich habe einen Schwangerschaftstest gemacht.«
»Und es gibt keinen anderen, der … der Vater sein könnte?«
»Nein«, sagte Corinne bestimmt.
Karl Fischer betrachtete sie stumm.
»Sie sind die Grille des Bewohners, nicht wahr?«, sagte Brian Jenkins. »Soweit ich verstanden habe, gibt es strenge Verhaltensregeln für Grillen. Nähe, aber nicht zu viel, und so weiter. Oder irre ich mich, Doktor Pierce?«
»Ich kenne die Regeln«, sagte Corinne ärgerlich. »Aber in den letzten Monaten stimmte mit meinem Klienten etwas nicht. Er hat überhaupt nicht auf meinen Apparat reagiert.«
Sie hob den Unterarm und zeigte ihr Armband.
»Ich habe es inspiziert und nachjustiert«, sagte Doktor Pierce. »Frau Simmen behauptete, dass es trotzdem nicht funktionierte, und ich vermutete, dass sie es falsch bediente, und wollte sie gegen eine andere Grille austauschen. Aber Frau Simmen weigerte sich. Sie behauptete, Max habe sich stark verändert und sie habe die Pflicht, ihn zu schützen.«
»Was er sofort ausgenützt hat«, sagte Karl Fischer mit einem verächtlichen Blick auf Corinnes Bauch.
»Überhaupt nicht«, sagte Corinne wütend. »Daniel ist nicht Max. Er nützt niemanden aus. Alles, was er erzählt hat, ist wahr. Er ist der Zwillingsbruder von Max, und wir haben Max nach dem Besuch im Juli rausgelassen.«
»Max hat keinen …«, begann Doktor Fischer.
»Doch!«, sagte Corinne und wedelte mit einem Papier. »Ich habe neulich eine Seite von den Materialien gefunden, die ich während meiner Ausbildung bekam. Wir sollten keine Papiere behalten, ich weiß. Aber ein Blatt habe ich aufgehoben, wegen dem Liedtext, den ich früher einmal auf die Rückseite geschrieben habe. Es waren zufällig die persönlichen Angaben von Max. Und aus denen geht deutlich hervor, dass er einen Zwillingsbruder hat. Jemand muss das verändert haben, kurz nachdem Max aufgenommen worden war.«
Sie ließ die Kopie herumgehen.
Doktor Pierce wühlte in seiner Aktentasche, holte ein paar zusammengeheftete Papiere hervor und ließ auch die herumgehen.
»Frau Simmen hat recht. Ich habe ihre Angaben vom
Einwohnermeldeamt in Schweden kontrollieren lassen. Wir haben den falschen Zwilling hier. Jetzt ist er verschwunden, und ich mache mir große Sorgen um ihn. Ich schlage vor, wir schicken sofort die Wachen los.«
Die Ärzte starrten ihn an, aber Hedda Heine sagte:
»Unbedingt. Oder was sagen Sie, Doktor Fischer?«
»Ja, das wird wohl das Beste sein. Sie sollen das Tal durchsuchen«, sagte Fischer desinteressiert und schob die Papiere weiter zum Nächsten. Er hatte sie kaum angeschaut. »Abgemacht. Fahndung nach Max. Pierce kontaktiert die Wachzentrale.«
»Fahndung nach Daniel . Nicht Max«, korrigierte Corinne.
Doktor Fischer blickte auf seine Armbanduhr und stand auf.
»Ich habe einiges zu tun, bitte entschuldigen Sie mich«, sagte er.
Kaum hatte er den Raum verlassen, entstand eine lebhafte Diskussion.
Corinne sagte nichts.
Doktor Pierce rief auf seinem Handy die Wachzentrale an. Er war der Einzige, den sie hier kannte, und er hatte sie mit zur Besprechung genommen. Jetzt wollte sie eigentlich wieder gehen.
Aber nun klopfte es an der Tür, und eine Hostess schaute herein. Sie hatte ein Telefon in der Hand.
»Entschuldigen Sie, dass ich störe. Es ist ein Anruf von der italienischen Polizei. Sie wollen mit dem Klinikchef sprechen.«
»Doktor Fischer ist gerade gegangen«, sagte Pierce. »Versuchen Sie es auf seinem Handy.«
»Er antwortet nicht.« Die Hostess wedelte hilflos mit dem Telefon. »Es ist offenbar wichtig.«
»Ich nehme es«, sagte Pierce.
Er nahm das Telefon und stellte sich etwas abseits ans große Fenster.
Als er das Gespräch beendet hatte, drehte er sich um:
»Die Polizei in Neapel will wissen, ob Max Brant noch in Himmelstal ist. Vor vier Tagen haben sie einen Mann wegen eines Überfalls auf eine Frau gefasst, und sie glauben, es ist Max.«
55 Daniel nahm die beiden kleinen Tabletten, die der Wachmann ihm reichte, dazu einen Plastikbecher mit Wasser. Sein Kopf schmerzte, die Zunge fühlte sich rau an und schmeckte schlecht, wie ein fremder Gegenstand in seinem Mund. Er hoffte, die Tabletten würden sein physisches Unwohlsein lindern und die Angst und Klaustrophobie, die langsam in ihm erwachten, dämpfen.
Die Tabletten hatten den gewünschten
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