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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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schweren Schlaf nach oben, seine Glieder zuckten aus einem Fluchtinstinkt heraus. Es gelang ihm nicht, wach zu werden, aber er sah es ganz klar: Es war die kleine dunkelhaarige Hostess. Nach der die Wachen in der Stromschnelle gesucht hatten. Abgemagert und ohne Haare sah sie sehr verändert aus. Aber sie hatte ihn durch das runde Glasfenster in einer der Türen angeschaut.

 
    54  »Er ist also verschwunden?«, sagte Hedda Heine besorgt. »Seit wann?«
    »Die Nachtpatrouille hat die Wachzentrale gestern um zehn nach zwölf alarmiert«, erklärte Doktor Pierce. »Dann haben sie Kontakt zu Frau Simmen aufgenommen.« Er zeigte auf Corinne, die neben ihm am Konferenztisch saß.
    »Ich habe zuletzt vorgestern Abend in Hannelores Bierstube mit ihm gesprochen«, sagte Corinne.
    Vor dem Panoramafenster standen die Wolken zwischen den Wänden des Tals, schwer und grauweiß, wie eine Watteschicht in einer Schachtel. Corinne kam nur selten so hoch nach oben. Normalerweise traf sie Doktor Pierce in einem Sprechzimmer im ersten Stock des Krankengebäudes.
    »In letzter Zeit war Max immer in seiner Hütte, wenn die Patrouillen ihre Runden machten. Wir hatten keinerlei Probleme mit ihm. Es war also sehr ungewöhnlich, dass er gestern Abend nicht dort war«, fuhr Doktor Pierce fort. »Wir haben gehofft, dass er im Lauf der Nacht von alleine auftauchen würde, aber bei der Morgenpatrouille war die Hütte immer noch leer. Der Letzte, der ihn gesehen hat, war die Eingangswache am Hauptgebäude. Er hat ausgesagt, dass Max gegen neun Uhr gestern Abend in die Ärzteetage hinaufgefahren ist. Er wollte Sie, Doktor Fischer, aufsuchen.«
    »Das stimmt«, sagte Doktor Fischer. »Er wollte mich unbedingt treffen, obwohl es schon so spät war. Ich habe ihn empfangen, weil es ihm so wichtig zu sein schien. Er kam mir ziemlich verwirrt vor. Er kam mit absurden Behauptungen.«
    »Was für Behauptungen?«, fragte Doktor Pierce.
    Karl Fischer verzog müde das Gesicht.
    »Das Übliche. Dass er nicht Max ist, sondern dessen Zwillingsbruder. Irgendwie hat er vom Pinocchio-Projekt erfahren. Ich habe den Verdacht, dass er eine Kollegin getroffen hat, die eigentlich keinen Kontakt zu den Bewohnern haben sollte. Ich habe sie krankgeschrieben. Jedenfalls wusste er, dass man Max einen Chip implantiert hat, und wollte, dass ich seine MRT -Bilder kontrolliere, um zu sehen, ob er auch so einen Chip hat. Damit wollte er beweisen, dass er nicht Max ist. Das scheint bei ihm zu einer Zwangsvorstellung geworden zu sein. Er war unglaublich störrisch, und um die Sache aus der Welt zu bekommen, gab ich seinem Wunsch nach. Wir fuhren nach unten und schauten die Bilder an. Ich zeigte ihm den Chip. Er brach zusammen.«
    »Sie haben ihm hoffentlich gesagt, dass der Chip völlig ungefährlich ist?«, flocht Doktor Pierce ein. »Die Strahlung ist nicht größer als bei einem Mobiltelefon.«
    »Ja, aber ich glaube nicht, dass ihm das Sorge bereitet hat. Ich glaube, er brach zusammen, weil sein Lügengebäude einstürzte. Dass der vortreffliche Zwillingsbruder die reine Phantasie war. Er hat sich selbst betrogen und jetzt die Wahrheit erkannt. Oder alles zusammen war nur Theater. Es war schon spät, und ich wollte ihn loswerden. Ich begleitete ihn durch den Korridor und ließ ihn durch die Bibliothek nach oben. Das war der nächste Weg zu seiner Hütte.«
    »Um wie viel Uhr war das?«
    Fischer hob die Schultern.
    »Zehn vielleicht.«
    »Haben Sie gesehen, wohin er ging?«, fragte Hedda Heine.
    »Nein. Ich nahm an, dass er zu sich nach Hause ging.«
    »Dann sind Sie der Letzte, der ihn gesehen hat«, stellte Pierce fest. »War er sehr erregt?«
    Fischer rieb sich sein unrasiertes Kinn, ein schabendes Geräusch war zu hören.
    »Nun ja, schon. Aber ich ging davon aus, dass er sich bis zum nächsten Tag beruhigen würde.«
    »Sind Sie wirklich sicher, dass Sie einen Chip gesehen haben?«, fragte Pierce.
    »Natürlich.«
    Pierce fuhr fort:
    »Ich war nämlich selbst unten in der MRT -Abteilung und habe Schwester Louise gebeten, die Bilder aufzurufen. Und ich habe keinen Chip gesehen.«
    Karl Fischer wollte protestieren, aber Pierce ließ sich nicht beirren:
    »Außerdem hat Frau Simmen etwas zu erzählen, was uns alle interessieren könnte.«
    Er wandte sich an Corinne und nickte ihr aufmunternd zu.
    Sie schaute in die Runde der Sitzungsteilnehmer, richtete sich auf und sagte mit fester Stimme:
    »Ich bin schwanger. Von dem Bewohner, der angeblich Max ist, der es jedoch nicht

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