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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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hatte kaum verstanden, was der Doktor gesagt hatte. Ein dichter Nebel hatte sich über sein Bewusstsein gelegt. Wie der Nebel im Tal riss er immer wieder kurz auf und ließ die Außenwelt in kurzen, klaren Bildern und Sätzen herein.
    »Ich kann also das Tal verlassen?«, fragte er.
    »Nein, das wäre viel zu riskant. Du könntest mir große Probleme machen, wenn du rauskommst. Und ich bin noch nicht fertig mit dir. Ich habe noch nicht einmal angefangen. Aber du wirst aus dem Tal verschwinden, das ist eine gute Idee. Eigentlich könntest du schon heute verschwinden. Tatsache ist«, sagte er und schaute auf seine Armbanduhr, »dass du bereits verschwunden bist .«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Es ist zwanzig nach zwölf. Ist es nicht erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht, wenn man nett beisammensitzt? Die Nachtpatrouille hat dich nicht in deiner Hütte angetroffen und den Alarm ausgelöst. Die Autos sind schon unterwegs und suchen dich. Und sie machen morgen weiter. Aber nicht allzu lange. Wie du selbst gesagt hast: Man wird glauben, dass du tot bist.«
    »Aber«, begann Daniel in einem lahmen Protest. Er suchte nach der zweiten Hälfte des Satzes, er war im Nebel verschwunden, ehe er ihn aussprechen konnte.
    »Aber jetzt möchtest du schlafen«, sagte Doktor Fischer hilfsbereit.
    Das wollte Daniel überhaupt nicht sagen, das wusste er genau. Er wollte etwas ganz anderes sagen, etwas Wichtiges, aber jetzt war es weg.
    »Du bist müde, nicht wahr? Darf ich deine Pupillen sehen?«
    Doktor Fischer fasste ihn am Kinn und schaute ihm in die Augen.
    »Genau«, sagte er. »Sehr müde.«
    Als er protestieren wollte, spürte Daniel, dass er tatsächlich sehr müde war. Er war müder als jemals in seinem ganzen Leben. Er wusste nicht, wie er es schaffen sollte, durch die Tunnel zurückzugehen, durch den Park und nach Hause in seine Hütte.
    Doktor Fischer stand auf und ging zu einem Vorhang am anderen Ende des Zimmers. Er zog ihn beiseite und öffnete eine Stahltür, die bisher verborgen war.
    »Ich werde dir dein Zimmer zeigen. Komm mit.«
    Langsam stand Daniel auf und ging, Schritt für Schritt, hinüber zu Doktor Fischer, dann blieb er in der Türöffnung stehen.
    Vor ihm lag noch ein weiterer unterirdischer Korridor. Aber er sah anders aus als die anderen – er war schmaler und niedriger. Irgendwo hörte er Rufe und das Schlagen gegen Metall. Eine Wache, die an der Wand stand, warf ihnen einen desinteressierten Blick zu.
    »Wo sind wir?«, fragte Daniel misstrauisch.
    Sein Herz schlug so wild, dass ihm übel wurde.
    »In einem anderen Teil des Tunnelsystems«, sagte Karl Fischer. »Als die Klinik gebaut wurde, sorgten ich und unser amerikanischer Sponsor dafür, dass wir noch ein paar Räumlichkeiten bekamen, die nicht auf den Plänen vergezeichnet waren.«
    Er gab Daniel einen leichten Schubs, so dass er über die Schwelle stolperte, und schloss rasch die Türe hinter ihnen beiden.
    »Du hast bestimmt schon von dieser Abteilung gehört. Die Bewohner reden viel darüber. Sie haben sogar einen Kosenamen dafür gefunden.«

 
    53  »Die Katakomben?«, flüsterte Daniel.
    Doktor Fischer nickte.
    »Ich selbst finde den Namen schlecht gewählt. Man sagt, dass es zur Blütezeit des Klosters hier einen unterirdischen Friedhof gab. Davon existiert heute wahrscheinlich nichts mehr. Du siehst hier eine hochmoderne Anlage, und alle sind am Leben.«
    Erstaunt betrachtete Daniel die Reihe von Stahltüren, hinter denen er so etwas wie Gefängniszellen vermutete. In die Türen war auf Augenhöhe ein kleines rundes Fenster mit zentimeterdickem Glas eingelassen. An manchen Fenstern sah man dicht am Glas Gesichter. Obwohl einige die Lippen bewegten, als würden sie sprechen, ja vielleicht sogar schreien, hörte man keinen Ton. Die stumm aufgerissenen Münder und das dicke Glas ließen Daniel an Fische in einem Aquarium denken.
    »Die Aktivitäten in diesem Teil von Himmelstal sind nicht so bekannt«, sagte Doktor Fischer, als sie an den Türen vorbeikamen. »Wir sind ein kleines Team von hochmotivierten Forschern, die hier unten arbeiten. Unsere Auftraggeber kommen nur selten hier vorbei. Ich informiere sie über das, was sie meiner Meinung nach wissen müssen. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass sie viel wissen wollen. Sie wollen nur Ergebnisse.«
    »Was sind das für Aktivitäten?«, fragte Daniel.
    Sie waren mitten im Korridor stehen geblieben, und Doktor Fischer schaute mit nachdenklicher Miene in eines der

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