Himmelstal
grauen Nebel, niemand war zu sehen, aber als er am Swimmingpool vorbeikam, bemerkte er im Wasser einen Patienten. Es war eine Frau. Sie schwamm hin und her, mit kräftigen Armbewegungen tauchte sie unter und wieder auf, um Luft zu holen. Ihre kurzen Haare lagen wie angeklebt um den Kopf, die Schultern glänzten vor Nässe.
Daniel betrachtete sie fasziniert, bis sie fertig war und ihren schlanken Körper über den Beckenrand zog. In ihrem glänzenden Badeanzug und mit den zurückgestrichenen Haaren glich sie einem Seelöwen.
»Ich dachte, ich bin allein hier«, sagte sie.
»Ich bin auf dem Weg in den Speisesaal. Hast du schon gegessen?«, fragte Daniel kühn.
»Du weißt doch, dass ich nie im Speisesaal esse.«
»Ich weiß gar nichts. Ich bin nicht Max, falls du das glauben solltest. Ich bin sein Zwillingsbruder. Max ist abgereist, und ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass er zurückkommt. Er hat mich hierher gelockt und dann einfach sitzengelassen. Und es scheint schwieriger zu sein, hier wieder weg- als herzukommen.«
Als sie lachte, sah Daniel, wie unglaublich hübsch sie war. Das Gesicht, der Körper, die geschmeidigen, lässigen Bewegungen. Alles war perfekt. Wäre ihm das gleich auf
gefallen, hätte er sich sicher nicht getraut, sie anzusprechen.
»Verdammt viel schwieriger, ja«, sagte sie und legte sich ein zitronengelbes Badetuch um die Schultern. »Ich mach mir eigentlich nicht viel aus Essen, außer wenn ich schwimmen war. Dann bin hungrig wie ein Wolf.«
Sie entblößte die Eckzähne zu einem Raubtiergrinsen.
»Und dann will ich viel essen. Und gut essen. Und einen guten Wein dazu. Und perfekten Service. Mit anderen Worten: Das Restaurant!«
Mit der einen Hand zeigte sie auf das Hauptgebäude, mit der anderen packte sie Daniel am Oberarm, als würden sie sich schon lange kennen. Obwohl es eine kameradschaftliche, fast ein wenig grobe Berührung war, fuhr sie wie eine erotische Schwingung durch seinen Körper.
»Ja. Aber ich glaube nicht, dass ich mir das leisten kann«, murmelte er.
»Aber ich. Ich bin reich wie ein Troll. Ich gehe mich umziehen, wir sehen uns in zwanzig Minuten in der Lobby.«
Fünfundvierzig – nicht zwanzig – Minuten später tauchte sie im Feuerschein des Kamins vor der Sitzgruppe in der Lobby auf, wo Daniel gewartet hatte. Sie trug ein kurzes, eng anliegendes Kleid aus einem glänzenden Stoff, das die Schultern frei ließ. Daniel kam sich in seinem Baumwollhemd sehr schlicht vor. An den Füßen hatte sie extrem hochhackige Schuhe mit Leopardenmuster, und sie schien, im Gegensatz zu den meisten Frauen, die Daniel kannte, nicht die geringsten Probleme zu haben, sich in diesen stelzenartigen Dingern zu bewegen, sie rannte fast durch die Lobby und zu dem Sessel, wo er saß. Als sie sich für einen raschen Wangenkuss zu ihm herunterbeugte, traf ihn eine Wolke ihres Parfüms.
»Komm, komm. Ich habe Hunger «, maulte sie und trat
ungeduldig auf ihren hohen Absätzen von einem Fuß auf den anderen, dabei versuchte sie, ihn aus dem Sessel hochzuziehen. Sie drehte sich zur Hostess an der Rezeption um und rief:
»Was gibt es denn heute?«
Die Hostess schüttelte lächelnd den Kopf.
»Also eine Überraschung. Es gibt ja immer zwei Gerichte zur Auswahl. Um eine Illusion von Wahlfreiheit zu vermitteln«, plapperte sie und steuerte mit Daniel auf den Lift zu.
Er ließ sich von ihr führen. Ihm war immer noch schwindlig von ihrem Parfüm.
»Wahlfreiheit!«, wiederholte die Frau, drückte auf den Liftknopf und lachte laut. »Ist das nicht komisch?«
Daniel wusste nicht, ob es der Nebel draußen vor dem Fenster war oder die Tatsache, dass er nun in Gesellschaft einer schönen fremden Frau hier war, aber die Stimmung im Restaurant kam ihm jetzt ganz anders vor als beim letzten Mal. Die Beleuchtung war gedämpfter, der Raum erschien ihm kleiner, er konnte sich nicht an die roten Samtvorhänge erinnern und ganz bestimmt nicht an die flüsternde Musik.
Die Frau steuerte direkt auf einen kleinen Tisch in der Ecke zu, setzte sich und studierte die Speisekarte, die bereits auf dem Tisch lag.
»Rehfilet oder Entenbrust? Was sagst du? Ich nehme die Entenbrust. Entenbrust! Klingt doch irgendwie komisch, nicht?«
Sie wiegte ihre eine Brust in der Hand. Sie war sehr groß und merkwürdig rund. Daniel fragte sich, ob sie wohl aus Silikon war.
»Ich bin nicht wirklich gut bei Kasse«, murmelte er.
»Halt jetzt den Mund. Ich habe doch gesagt, dass ich reich bin.«
Ihre Haare waren
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