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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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Gesicht.
    „Das bedeutet, der Rat hat die Bibliothek gesäubert .“
    Jerome rieb sich das Kinn und setzte sich auf einen Findling vor dem Eingang. Natürlich hatten Anhänger und Fans eine Unmenge Aufzeichnungen gemacht, Mitschriften ihrer Reden, Protokolle von Versammlungen, Abschriften von Zeitungsartikeln und persönliche Tagebucheinträge. Aber wenn sich in der Bibliothek nichts mehr finden ließ, dann waren alle Berichte entfernt worden. Jerome erzählte mir, dass das, was ich gelesen hatte, in vielen Punkten verfälscht war. Alexander und Clarissa hatten immer wieder betont, dass niemand die Durchgänge benutzen durfte. Anhänger ihrer Bewegung postierten sich freiwillig an den Durchgängen, um aufzuklären und für Sicherheit zu sorgen. Trotzdem gab es Opfer, die unbedingt beweisen wollten, dass alles nur erfundener Humbug einer Sekte war. Die beiden konnten angeblich auch nichts dafür, dass ein Jumbojet in einer nicht frei gegebenen Höhe flog, als sie per Auftrag das Anwesen eines korrupten Managers abfackelten, ohne Spuren von Beweisen zu hinterlassen. Klar, war das radikal, aber es hat noch nie eine Revolution ohne Opfer gegeben. Zu den zwei Tankern konnte Jerome nichts sagen. Er hielt das für ein Gerücht. Der Rat benutzte alles, um die Bewegung zu stoppen. Gerade er hatte mächtige Verbündete, um die weltlichen Medien zu manipulieren und Geschichten zu erfinden, die die Bewegung in ein schlechtes Licht rückte. Ich setzte mich auf den Findling an der anderen Seite des Durchgangs, Jerome gegenüber.
    „Wer war damals im Rat?“, fragte ich ihn.
    „Alle, bis auf mich natürlich …“
    „Und hattest du einen Vorgänger?“
    „Manu, sie kam durch eine Entscheidung des Rates ums Leben.“
    Jerome sah zur Seite, Richtung Eingang. Seine Gesichtszüge bekamen etwas Hartes. Um seine Mundwinkel zuckte es. Vom Eingang rieselte plötzlich Erde. Ich sprang erschrocken auf und entfernte mich ein paar Schritte. Was war los? Ich war doch ganz ruhig.
    „Entschuldige“, sagte Jerome und machte eine Handbewegung, dass ich mich wieder setzen sollte. Ich las in seinem Gesicht, dass er dabei war, sehr starke Gefühle zu beherrschen. War Manu vielleicht …
    „Du hattest sie gut gekannt“, versuchte ich es.
    „Einigermaßen, sie war meine Mutter.“
    Ich schluckte. Seine Mutter. Damit hatte ich nicht gerechnet.
    „Oh… das tut mir ...“ Jerome unterbrach mich, stand auf und streckte sich.
    „Muss es nicht. Es ist fast zwanzig Jahre her. Ich bin bei meinem Vater aufgewachsen. Bei meiner Mutter war ich nur alle zwei Wochen. Erst, als ich hier her kam, wurde mir klar, wo sie den Rest der Zeit verbrachte.“
    Seine Stimme klang bitter. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    Ich versuchte, mir den Rat als eine Gruppe von Leuten vorzustellen, die falsche Entscheidungen trafen, so falsch, dass Mitglieder starben. Ich mochte Kim nicht. Insgeheim nannte ich sie bereits den schwarzen Engel. Und der alte Jolly war mir unheimlich. Aber Ranja war mir eigentlich sympathisch und Sulannia war eine charismatische Gestalt, deren Ruhe und festem Auftreten man vertraute. Aber das musste alles nichts heißen. Ich wollte fragen, was genau mit Jeromes Mutter passiert war, aber ich traute mich nicht.
    „Wie wird man in den Rat aufgenommen? Ist das wie bei Königen?“, fragte ich stattdessen.
    „Erbfolge? Oh nein …“, Jerome lachte.
    „Dass ich den Platz meiner Mutter eingenommen habe, sowas kommt vor, aber es ist nicht zwingend. Ich war damals sehr wissbegierig. Ich war nicht traurig, der Welt entkommen zu sein. Bis die Symptome losgingen, hatte ich fast ausschließlich in Büchern gelebt. Ich war schüchtern in dem Alter. Ich war der Klassentrottel sozusagen.“
    „Du?“ Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
    „Ja, ich. Keine ruhmreichen Zeiten. Aber das sollte sich ändern. Irgendwie wusste ich schon immer, dass etwas Großes in meiner Zukunft auf mich wartete. Und dann traf es endlich ein. Ich kam an die Akademie der Elemente und wurde akzeptiert. Nicht nur das, ich wurde bewundert, für meine Lernfähigkeit und mein Wissen. Und natürlich hatte ich einen besonderen Status, weil meine Mutter im Rat war. Ich ging völlig auf in dem Studium und war nach einem halben Jahr fertig. Es war die Zeit von Alexander und Clarissa. Ich war ihr größter Fan. Aber das behielt ich für mich, wegen meiner Mutter. Sie hatte 17 Jahre lang ihr Geheimnis bewahrt. Jetzt bewahrte ich meins. Und das war gut so, sonst

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