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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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wieder zurückgekehrt war, um sich auszuruhen. Hätte ich das alles doch bloß gewusst! Aber woher? Ich konnte nicht die geringste Ahnung haben. Und selbst wenn, ich hätte nichts ändern können. Gar nichts. Ich beruhigte mich ein wenig und atmete tief durch. Mein Vater blieb abstrakt und weit weg. Aber meine Mutter, sie war seit drei Jahren meine Freundin, sie hatte mich beschützt, ein Leben lang begleitet, ihre Fehler bereut und sie wieder gut gemacht. Sie hatte mich gerettet. Ich weiß nicht, was ohne sie aus mir geworden wäre. Ich wischte mir mit dem Ärmel das Gesicht trocken und richtete mich auf. Ich würde dafür sorgen, dass sie ihr Ansehen zurück erhielt. Niemand sollte sie mehr hassen oder vergessen. Ich würde ihrem Namen alle Ehre machen. Dazu war ich fest entschlossen.
    Ich legte die Blumen neben mich auf die Erde und begann, das Unkraut unter den Bäumen zu entfernen. Neve hockte sich neben mich und half mir.
    „Es wird schön werden. Wir machen es ganz schön“, bestärkte sie mich.
    „Ja, das machen wir.“
    Wir untersuchten die Bäumchen. Wenn man genauer hinsah, zeigten sich winzige grüne Blätter an den wie abgestorben wirkenden Zweigen. Sie lebten noch. Sie benötigten nur Zuwendung und Pflege. Wir bedeckten die dunkle Erde mit den vielen bunten Blumen und betrachteten unser Werk. Ich stellte mir vor, wie Clarissa mir zusah, von einem anderen Ort hoch oben, aus der Tiefe des magischen Himmels, wo es schön war und hell, während ich hier unten einen Platz schuf, an dem ich an sie denken konnte.
     
    Ich würde ihre Geschichte aufschreiben und sie an den Baum hängen, so wie sie auch an allen anderen Bäumen hing. Die Geschichte, die ich zuerst mit Atropa hatte, dann mit Clarissa und am Ende mit meiner Mutter. Wieder wurde mir bewusst, wie viel ich noch nicht wusste und was ich sie alles noch gern gefragt hätte. Wie immer passte das, was Neve tat, zu meinen gegenwärtigen Gedanken. Sie zog einen Briefumschlag aus ihrem weiten Kleid und reichte ihn mir.
    „Den soll ich dir geben. Von Pio. Er ist von Deiner Mutter. Sie hat ihn an seinem PC geschrieben. Und Pio hat ihn ausgedruckt. Ich weiß nicht, wie sie ihn dazu gebracht hat.“
    „Mit Murmeln natürlich …“, sagte ich geistesabwesend und griff aufgeregt nach dem Brief.
    „Ich dachte, es ist der richtige Ort, deshalb habe ich ihn erst jetzt …“
    Ein Brief von meiner Mutter. Ich hielt ihn fest in beiden Händen, als könnte er sonst davonfliegen. Ich war so überrascht und so dankbar. Ich umarmte Neve und strahlte.
    „Sie hat mir einen Brief hinterlassen!“, rief ich aus, als müsste ich es noch mal in Worte fassen, damit es auch wahr blieb. Neve nickte verständnisvoll.
    Ich setzte mich auf den steinigen Rand des Grabes, was jetzt nicht mehr ganz so traurig aussah und öffnete den Umschlag. Es war ein simpler Tintenstrahl-Ausdruck. Trotzdem war es das Persönlichste, was ich von meiner Mutter je bekommen hatte.
     
    Meine liebe Kira,
     
    wenn du den Brief liest, bin ich wahrscheinlich nicht mehr da. Trotzdem sollst du wissen, dass ich immer bei dir sein werde. Ich möchte, dass du deine Geschichte kennst, so viel wie möglich davon. Ich schreibe diesen Brief, falls ich nicht mehr dazu kommen sollte, dir selbst alles zu erzählen.
    Aber zuerst: Egal, was geschehen wird oder geschehen ist, ich habe einen großen Wunsch: Bitte sei nicht traurig oder zürne jemanden. Dass ich so lange bei dir sein konnte, obwohl ich seit deiner Geburt nicht mehr unter den Lebenden weile, ist ein großes Geschenk. Viel größer, als ich es mir erträumt hatte. Ich habe dadurch eine weitere Chance erhalten, obwohl mein Leben bereits verpfuscht war. Obwohl ich alles falsch gemacht hatte, was ich falsch machen konnte. Durch mich sind Menschen gestorben, nicht wenige Menschen. Trotzdem durfte ich bei meinem Kind bleiben und alles tun, damit es vielleicht einen anderen Weg einschlägt. Das ist Gnade und das größte Glück, was wir hatten. Du ahnst nicht, wie euphorisch ich war, als sich durch das Chatten plötzlich eine Möglichkeit auftat, mit dir zu reden, ganz normal, auch über ganz banale Dinge, deine Langeweile in der Schule, deinen Ärger mit Luisa, deinen Liebeskummer … Aber von vorn.
    Ich habe deinen Vater sehr geliebt, weißt du. Er war so stark und er interessierte sich für mich! Das konnte ich gar nicht glauben. Ich war nicht sehr selbstbewusst. Ich habe ihm blindlings vertraut. Ich habe alles getan, was er wollte. Es hat zu lange

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