Himmlisch verliebt
junge Frau mit dunklen, fast violetten Haaren. Jetzt erhob sie sich.
Und nun bemerkte Lilith auch Merles Geistwesen. Es hatte sich so dicht hinter Merle aufgehalten, dass es fast mit ihr zu einer Gestalt verschwamm. Jetzt aber löste es sich aus Merles Schatten und ging zu dem Geistwesen am Fenster hinüber. Zweifellos: Die beiden schienen einander zu sehen und wahrscheinlich auch zu kennen.
Lilith blickte zu Elias hinüber. Ob er spürte, dass hier noch andere Geistwesen im Zimmer waren? Aber er achtete nicht darauf. Unablässig starrte er auf Merles kleine Schwester. Dann streichelte er ebenfalls ihr Gesicht.
„Kann sie gar nichts hören?“, fragte er leise.
„Sie nimmt überhaupt nichts wahr“, erklärte Merle. „Wir haben ihr sogar schon Kopfhörer aufgesetzt und ihr ihre Lieblingslieder vorgespielt. Aber sie zeigt keine Regung. Sie liegt immer so da und starrt an die Decke. Manchmal hat sie die Augen geöffnet, manchmal geschlossen. Aber sie spürt nichts.“ Sie streichelte die Hand ihrer Schwester. „Selbst wenn man sie kneift oder kitzelt, zeigt sie keine Reaktion.“
„Wie furchtbar.“ Elias streichelte immer noch die Haare des Mädchens. „Sie sieht so schön aus. Fast wie ein Engel. Mit diesen blonden lockigen Haaren.“ Elias sah aus, als wäre er kurz davor zu weinen. Er schien einen richtigen Schock zu haben.
„Sie ist auch fast ein Engel“, sagte Merle leise. „Sie ist nicht mehr wirklich bei uns. Irgendwie lebt sie in einer Welt, in der wir sie nicht mehr erreichen können.“
„Das ist ja einfach nur schrecklich.“ Elias konnte gar nicht aufhören Alina anzusehen. Er hatte sich nun zu ihr auf das Bett gesetzt und beugte sich über sie. Dann streichelte er sie wieder und wieder.
Merle schaute ihn mitleidig an. Sie war offenbar selbst überrascht, dass Elias so betroffen war. „Lieb, dass du so viel Mitgefühl hast“, sagte sie. „Ich habe schon einige Male Freunde mitgenommen, aber sie konnten es gar nicht aushalten.“ Sie wirkte sehr gefasst, als sie weiter erzählte: „Meine Eltern haben tagelang, wochenlang, ach was sag ich, monatelang an ihrem Bett gesessen. Sie war ja erst in der Uniklinik in einer anderen Stadt. Meine Mutter hat bei ihr geschlafen, bei ihr gewohnt. Wir haben immer wieder gebetet, die Ärzte befragt, neue Ärzte gesucht. Es war so schrecklich. Unser Leben drehte sich nur um Alina.“ Sie sprach leise und bedrückt. „Irgendwann musste der Alltag wieder losgehen.“
„Verstehe.“ Elias nickte.
„Mein Vater ist dann wieder arbeiten gegangen, aber meine Mutter konnte das nicht. Sie wollte Tag und Nacht bei Alina bleiben.“ Nun sah Merle ganz traurig aus. „Eine Ehe zerbricht an so was“, meinte sie leise. „Mein Vater ist jedenfalls vor ein paar Tagen ausgezogen. Ich glaube, er hat eine neue Freundin.“
„Aber Alina ist jetzt wenigstens in eurer Nähe, oder?“, stellte Elias fest.
Merle nickte. „Sie wurde hierher verlegt. Die Ärzte konnten ihr in der Uniklinik nicht weiter helfen. Nun überlegt meine Mutter, ob sie Alina nach Hause holen soll. Wenn ihr sowieso keiner helfen kann, kann sie auch zu Hause sein, meint sie.“
„Das stimmt.“ Elias schaute Alina lange Zeit nachdenklich an, ehe er fragte: „Und du? Wie hältst du das aus?“
„Die erste Zeit war ich wie tot“, berichtete sie. „Ich konnte niemandem davon erzählen. Hab einfach in zwei parallelen Welten gelebt. Aber jetzt tauche ich langsam wieder auf und kehre in mein eigenes Leben zurück. Ich besuche Alina noch oft, aber ich will auch mein eigenes Leben wieder haben.“
„Verstehe.“ Elias drehte sich zu ihr um und strich ihr über das Gesicht. „Arme Merle. Wie gut, dass du mir von ihr erzählt hast.“ Dann schaute er sich wieder zu Alina um und streichelte auch sie. „Sie kommt mir so bekannt vor“, sagte er irgendwann.
Das war das Stichwort. Auf einmal spürte Lilith eine andere Energie im Krankenzimmer. Die Geistwesen waren plötzlich aufmerksam geworden. Der dunkle Schatten am Fenster stand auf und trat an das Bett. Das andere Geistwesen schien hinter Merle zu stehen. Beide betrachteten Elias, der immer noch auf das kleine Mädchen schaute. Die Energie war so deutlich spürbar, dass auch Lilith zu dem Bett hinüber blickte. Dabei blieb sie im Hintergrund. Es war wichtig, jetzt nicht gesehen zu werden.
„Sie sieht aus wie … genau!“ Elias lachte ein bisschen verlegen. „Aber das ist ja Quatsch.“
„Was denn?“, wollte Merle wissen.
„Ich habe
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