Himmlisch verliebt
Gesicht, die lange Nase und die dunklen schön geschwungenen Augenbraun waren zu schön, um echt zu wirken. Trotzdem konnte man mit ein bisschen Fantasie Elias Gesicht in ihm erkennen.
„Stehst du hinter mir, Lilith?“, fragte Elias. „Wie gefällt dir mein Aussehen? Cool, oder? Die Gilde hat mich ausgebildet. Ich bin jetzt ein Held.“ Er strahlte für einen kurzen Augenblick. Dann verdüsterte sich sein Gesicht wieder. „Irgendwas ist mit diesem Spiel“, murmelte er dann. „Ich habe das Gefühl, es hat was mit Merle zu tun. Oder mit ihrer Schwester … Aber das ist ja Quatsch“, versuchte er, sich selbst zu beruhigen.
„Suchst du immer noch deine Schwester?“, wiederholte der alte Mann seine Frage, diesmal direkt an den jugendlichen Helden gewandt.
„Ja, ich suche sie“, wählte Elias als Antwort.
„Sie ist in der Burg gefangen“, wusste der Mann zu erzählen. „Aber pass auf. Sie wird bewacht.“ Dann wandte sich der Mann wieder dem Brunnen zu und zog den Eimer Wasser herauf.
Lilith schaute nun zum ersten Mal genauer zu, wie Elias die Tasten zum Spielen benutzte. Mit der Maus gab er die Richtung vor, in die die Spielfigur gehen sollte, mit den Tasten A, S, D und W rannte er in verschiedene Richtungen.
Die Burg lag direkt vor ihm. Elias ließ seine Spielfigur über die Zugbrücke laufen. Zwei Wärter stellten sich ihm in den Weg, fragten nach einem Kennwort. Doch statt zu antworten, ließ Elias seine Spielfigur das Schwert ziehen und schlug zu. Dabei wählte er die linke Taste der Maus und klickte wie ein Verrückter. Auch die beiden Wärter besaßen Schwerter, zogen sie, schlugen damit zu und drehten sich im Kreis. Klingen klirrten. Elias Figur bückte sich, drehte sich im Kreis und richtete sich erneut auf. Wie wild tippte Elias auf den Tasten herum, ließ seine Figur angreifen und dann wieder zurücktreten. Plong – schon wälzte sich der eine Wärter schreiend am Boden, dann lag auch der andere daneben.
„Scheiße!“, murmelte Elias. Eine rote Skala am Rande des Bildschirmes leuchtete bedrohlich auf: Lebensenergie verloren.
Lilith trat nun noch dichter an Elias heran, schaute dabei zu, wie sein Held die Burg stürmte. In Windeseile rannte die Spielfigur die Stufen zum Keller hinunter, schneller und immer schneller. Er lief über lange Flure, hastete weitere Treppen hinunter und rannte über weitere Flure und weitere Treppen. Seine Schritte waren ausladend, das Tempo gleichmäßig.
Er bog in einen Gang, der zu beiden Seiten von Säulen begrenzt war, auf denen jeweils zwei merkwürdige Vögel aus Stein saßen. Als Elias Figur näher kam, erwachten sie plötzlich zum Leben. Lilith erkannte jetzt, dass es keine gewöhnlichen Raubvögel waren – es waren seltsame fliegende Kreaturen mit hässlich verzerrten Gesichtern.
„Gargoyles. Die haben mir gerade noch gefehlt“, rief Elias hektisch und hielt seine Figur an. Dann wartete er. Die eine Kreatur flog im Sturzflug direkt auf ihn zu. Der Angriff kam schnell und plötzlich. Elias zog sein Schwert und schlug wild um sich. „Schau, Lilith“, rief Elias dabei. „Man muss den richtigen Moment abpassen. Und jetzt drauf mit dem Schwert!“ Er klickte wie verrückt mit der linken Maustaste. Der Gargoyle gab fauchende Geräusche von sich. Dann hob er sich in die Luft und landete auf einer Plattform. „Ha, den hat`s erwischt“, freute sich Elias.
Aber der Kampf war noch nicht gewonnen. Im Gegenteil. Die fliegende Kreatur begab sich zum Rand der Plattform. Von da schoss sie im Sturzflug auf Elias Spielfigur herab und versuchte ihn mit den Klauen zu erwischen.
„O nein!“, brüllte Elias. Er ließ seine Figur durch ein paar Seitwärtsrollen in Sicherheit bringen, versuchte dann erneut sich zu nähern. Wieder setzte der Gargoyle zum Sturzflug an und nun erwachte auch der andere Gargoyle zum Leben. Er stürzte sich ebenfalls kreischend auf den jungen Helden herab. Die beiden Kreaturen griffen ihn mit ihren Klauen und schleiften ihn ein Stück mit sich. Er schlug wild mit seinem Schwert um sich. Schließlich gelang es ihm sich zu befreien und er brachte sich in Sicherheit.
Dann sah sich Elias zu Lilith um. „Au Mann, wie spät ist es eigentlich? Ich hab mich doch mit Merle verabredet“, rief er irritiert. Hastig griff er nach dem Handy und schaute auf die Uhr. „Noch eine halbe Stunde“, beruhigte er sich. „Zeit genug, den kleinen Fuzzi hier fertig zu machen.“ Er drehte sich wieder dem Monitor zu.
In dem Moment klingelte das Handy.
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