Himmlisch verliebt
sein. Vielleicht konnte man sich da verstecken?
Als Lilith näherkam, entdeckte sie einen Aufzug, eine Art Paternoster, in dem zwei Einzelkabinen an Ketten gezogen nach oben und unten in der Höhle verschwanden. Das war die einzige Rettung.
„Halt!“, hörte sie jetzt den Typen hinter sich brüllen. Er hatte sich offensichtlich umgeschaut und Lilith bemerkt. Lilith drehte sich nicht um. Sie sprang in die Kabine, so schnell sie konnte, ließ sich dann ruckartig nach oben ziehen. Kurze Zeit später ruckelte es unter ihr. Der Typ war offensichtlich ebenfalls in den Paternoster gestiegen – ein unheimliches Gefühl.
Lilith konnte es kaum abwarten, im nächsten Stockwerk anzukommen. Hier schien die Wohnebene der Burg zu sein. Bunte Steinfliesen auf dem Boden und Teppiche an den Wänden machten es behaglicher als das Kellerverlies. Lilith sah sich kurz um, entschied sich dann, den Gang links hinunter zu laufen.
Hinter sich hörte sie wieder Stiefelschritte: Der Unbekannte war ebenfalls im Wohnstockwerk angekommen. Lilith begann, zu rennen. Sie lief über den breiten Flur. Doch der Typ hinter ihr folgte ihr nicht. Das war verdächtig. Vielleicht wollte er den Weg abschneiden? Aber was hatte Lilith schon für eine Wahl? Also rannte und rannte sie, weiter und weiter durch die dunklen breiten Gänge der Burg.
Auch Elias ließ seine Figur rennen. Zuerst durch die Gänge des Verlieses, aber hier scheiterte er an einem weiteren Gitter, das den Flur absperrte.
Elias klickte auf INVENTAR und ließ sich den Plan der Burg zeigen. Dort hinten schien es eine Treppe zu geben. Aber wo befand sich Lilith? Elias scrollte mit seiner Maus weiter nach unten und entdeckte Lilith vor den Schlafgemächern. Er versuchte sich den Plan genau einzuprägen und steuerte dann seine Spielfigur weiter. Die Fackeln an der Wand flackerten und warfen lange schwarze Schatten gegen die Bruchsteinmauer. Elias spürte sein Herz hämmern. Ob das Herz seiner Spielfigur wohl genauso klopfte? Das hätte er gerne gewusst. Nur ein Gang trennte ihn noch von Lilith, dann konnte er sie endlich wieder in die Arme schließen.
Als Elias auf die Übersichtskarte schaute, erkannte er, dass sich eine dunkle Figur ebenfalls auf den Weg Richtung Schlafgemächer gemacht hatte. Auch sie würde gleich bei Lilith ankommen. Verdammt, Elias musste einfach schneller sein! Er drückte auf die W-Taste und ließ seine Figur rennen. Lilith schien seine Schritte gehört zu haben, denn sie schaute sich nach ihm um.
„Elias!“, rief sie und lief ihm entgegen. Sie umarmten einander und Lilith küsste ihn.
Gerührt betrachtete Elias die Szene von seinem Schreibtisch aus. Lilith war so dicht bei ihm. Ihr ganzer Körper drängte sich an ihn, ihr Mund presste sich auf seine Lippen. Und doch war es nur seine Spielfigur, die sie küsste. Elias konnte sie nicht spüren, konnte die Szene nur von außen betrachten.
Lilith löste sich aus Elias’ Armen und sah ihn an. Dann spürte sie, wie das Blut in ihren Adern gefror. Nein, diese Figur war nicht Elias. Sie war nur sein Abbild. Sie strahlte keine menschliche Wärme aus, sie konnte noch nicht einmal den Blickkontakt halten. Dieser Elias war nicht der, der am Computer saß. Traurigkeit erfasste sie. Sie hatte sich so gefreut, einen Ort zu haben, an dem sie Elias begegnen konnte, an dem sie ihn berühren, streicheln, sogar küssen konnte. Aber sie musste der Wahrheit ins Gesicht schauen. Diesen Ort gab es nicht, nicht hier und nicht im realen Leben.
Elias Spielfigur griff nach ihrer Hand. „Komm, schnell weg hier!“, flüsterte er. „Jemand ist hinter uns her.“ Hastig zog er sie mit sich.
Und jetzt hörte Lilith es auch: Schritte huschten den Gang entlang, leise zwar, aber doch nicht lautlos. Die Figur, die hinter ihnen her war, trug keine Fackel. Sie schien sich in den Gängen gut auszukennen.
Lilith fasste Elias Hand fester. Dann lief sie mit ihm mit. Auch wenn er nur eine Spielfigur war, er war auf Elias Seite und würde ihr helfen.
Elias starrte immer noch auf den Monitor. Die rechte Hand auf der Maus, drückte er mit links auf die W-, A-, und D-Tasten, steuerte so seine Figur und Lilith durch die Gänge der Burg. Plötzlich spürte er einen kalten Windhauch hinter sich. Erschrocken drehte er sich um.
„Lilith?“, fragte er. Ob sie wohl hinter ihm stand? Er versuchte, sich zu konzentrieren. Wenn Lilith bei ihm war, hatte er sie oft wie einen Frühlingshauch gespürt, wie eine gute Seele, die ihre warme Hand auf seine
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