Himmlisch verliebt
Schulter legte. Jetzt aber fühlte es sich anders an in seinem Zimmer. Wie eine klare, kalte Kraft, die ihn endlich zur Besinnung kommen ließ.
Wer war eigentlich diese Lilith, die dort auf dem Monitor Hand in Hand mit seiner Spielfigur herumlief? Er zog seine Hand von den Tasten zurück und überlegte. Hatte sie nicht immer wieder versucht ihn zu manipulieren? Sie wollte ihn dazu bringen, die kleine Alina zu suchen. Und warum tat sie das, verdammt noch mal? Alina war krank, schwer krank. Sie lag im Koma, konnte sich nicht mehr bewegen, konnte nichts mehr essen und trinken, konnte niemanden mehr erkennen. Warum sollte sie nicht sterben dürfen? Dann konnte ihr kleiner Körper endlich in die geistige Welt hinübergehen.
Elias spürte jetzt ganz deutlich, dass jemand hinter ihm stand. Jemand, von dem Klarheit, Stärke und Klugheit ausgingen. Durch ihn bekam er Kraft, das zu tun, was er zu tun hatte. Alina sollte endlich sterben dürfen und niemand sollte sie daran hindern. Schon gar nicht diese verlogene Lilith.
Auf der Karte sah Elias, dass sich am Ende des Ganges ein kleines Zimmer befand. Es war mit einer schweren Holztür ausgestattet. Die kleine Luke an der Seite des Raumes führte in einen tiefen Schacht. Von dort gab es kein Entrinnen.
Elias wusste genau, was zu tun war. Die Hand seiner Spielfigur fasste Lilith fester. Dann zog er sie mit sich.
Lilith spürte, wie Elias Hand fester zugriff. Es ging plötzlich so viel Kraft von ihm aus. Seine Bewegungen wurden klarer, zielgerichteter. Er taumelte nicht mehr mit holperigen Bewegungen neben ihr her. Unbeirrt lief er direkt auf ein Zimmer zu.
„Da hinein?“, fragte Lilith verblüfft.
Elias nickte. Im Zimmer stand eine kleine Holzbank, direkt unter der kleinen Fensterluke, die man nur erreichen konnte, wenn man auf die Holzbank kletterte. Elias ließ Liliths Hand los und deutete ihr, auf die Bank zu klettern und aus dem schmalen Fenster zu gucken.
„Müssen wir da durch?“, fragte Lilith erschrocken. Doch Elias antwortete nicht. Lilith stieg auf die Bank, zog sich an dem Sims hoch und blickte von dort aus in einen tiefen Schacht. Erschrocken sah sie sich zu Elias um. „Aber wir können doch nicht …“, begann sie. Dann brach sie ab. Elias sah so verändert aus. Seine Augen waren auf sie gerichtet. Klar und hart sahen sie aus.
„Du jedenfalls nicht mehr“, sagte er. Dann drehte er sich mit einer ruckartigen Bewegung um, rannte aus dem Raum und stieß die schwere Holztür mit einem lauten Knall zu. Lilith war so überrascht, dass sie unfähig war zu reagieren. Sie stand auf der Bank und starrte fassungslos auf das, was vor ihren Augen geschah. Sie hörte, wie ein Riegel vor die Tür geschoben wurde. Mit einem Satz war Lilith an der Tür und rüttelte daran. Da vernahm sie ein böses Lachen.
„Endlich haben wir dich!“, hörte sie Elias Stimme. „Jetzt kannst du dich nicht mehr gegen das Schicksal stellen.“
Lilith brach in Panik aus. Was war denn bloß in Elias gefahren? „Elias, lass mich raus“, rief sie verzweifelt. „Wir müssen doch Alina befreien. Sie stirbt sonst. Bitte hilf ihr doch!“
„Lass sie in Ruhe, lass sie endlich in Ruhe“, schrie Elias aufgebracht. „Sie möchte sterben. Halte sie nicht auf. Sie will endlich ihr Zuhause finden.“
Ihr Zuhause finden? Das hörte sich einfach schrecklich an. Welches Zuhause denn? Elias konnte nur die Schattenwanderer meinen, bei denen Alina dann zu Hause sein würde. Aber warum tat er das? Lilith setzte sich auf die Bank und starrte auf die Maserung der Holztür direkt vor ihr. Eigentlich gab es nur eine Erklärung für das, was gerade passierte: Elias wurde von den Schattenwanderern beherrscht. Aber war das möglich?
Lilith kannte sich nicht gut genug in der geistigen Welt aus. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass es so viele verschiedene geistige Wesen gab. Sie hatte auch nicht geahnt, dass es Wesen gab, die Menschen den Tod wünschten, um sie in ihre Welt zu ziehen. Wesen wie diese dunklen Gestalten, die hinter Alina und Merle gestanden hatten, dieses Mädchen mit dem Zeichen um die Augen und ihr Anführer Talur, von dem Seraphin erzählt hatte. Lilith schwirrte der Kopf. Sie war kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Nervös biss sie sich auf die Lippen und versuchte sich zu konzentrieren.
Die Schattenwanderer hatten wahrscheinlich den Moment genutzt, in dem sie nicht mehr bei Elias gewesen war. Als niemand hinter ihm stand, hatten sie diesen Platz eingenommen, um Elias
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