Himmlisch verliebt
lebte. Auch wenn sie bleich war, auch wenn ihre Lippen blau und die Augen gerötet waren, sie lebte und war wohlauf. Elias trug sie behutsam die Stiege hinauf, und legte sie oben auf den Steinboden. Er zog das Messer aus seinem Gürtel und durchschnitt ihre Fesseln.
Alina atmete nun heftiger. Elias stützte sie, damit sie aufstehen konnte. Die Kleine wollte etwas sagen, aber es kam nur ein krächzender Laut aus ihrem Mund. Gleichzeitig schossen ihr Tränen in die Augen und liefen in langen Bahnen übers Gesicht.
„Du bist in Sicherheit“, sagte Elias, obwohl das ziemlich übertrieben war. „Wir sind Freunde deiner Schwester Merle. Sie hat uns …“ Er brach ab. In dieses Spiel geschickt, wollte er erst sagen, aber dann fiel ihm ein, dass Alina das nicht verstehen würde.
„… zu dir geschickt“, ergänzte Lilith. Sie wollte noch viel mehr erklären, doch plötzlich hörte sie Geräusche im Gang. „Psst“, flüsterte sie Elias und Alina zu. Sie bewegten sich nicht mehr, sondern horchten auf den Gang hinaus.
Ein Schnauben, Zischen und Pusten war zu hören. Woher kenne ich bloß dieses Geräusch?, dachte Lilith noch, als sie ihn auch schon den Gang entlangkommen sah. Der große Drache nahm fast die Breite des Ganges ein. Mit leuchtenden rot-grünen Augen blickte er die Gruppe der drei Menschen verächtlich an. Dann öffnete er sein breites Maul. Lange spitze Zähne wurden sichtbar. Seine Zunge rollte sich zunächst nach innen, wurde dann aus dem Rachen gestoßen. Rauch stieg auf. Und nun flog ein großer gelbroter Feuerball direkt auf sie zu. Lilith schrie, Alina kreischte, Elias fluchte und dann warfen sich Elias und Lilith fast im gleichen Moment auf den Boden und rissen Alina mit sich. Der Feuerball flog so dicht über sie hinweg, dass sie dessen Glut am Haaransatz spüren konnte.
„Weg hier!“, schrie Elias. Die drei sprangen auf die Füße und stolperten den Gang in die andere Richtung davon. Doch kaum waren sie an der Kurve angekommen, stellte sich ihnen eine dunkle Figur in den Weg.
Lilith wusste sofort, wer es war: Talur, der Anführer der Schattenwanderer.
„Scheiße, Scheiße!“, fluchte Elias am Computer und ließ seine Figur anhalten. Sie drehte sich nun in alle Richtungen. Auf der einen Seite thronte der Drache, auf der anderen stand Talur. Es gab kein Entkommen.
„Der ist zu Hause, in seinem Zimmer“, hörte Elias seine Mutter plötzlich sagen. „Wenn Sie wollen, können Sie zu ihm.“ Im selben Moment öffnete sich seine Zimmertür. Auch das noch! Jetzt war wirklich keine Zeit für Besuch.
„Mama, jetzt nicht!“, schrie er seiner Mutter zu, aber da war der Mann auch schon in sein Zimmer getreten. Elias blickte kurz auf, schaute dann wieder auf sein Spiel. Was war das für ein Typ? Wahrscheinlich jemand von der Schule, der sich über ihn beschweren wollte. Aber dazu war jetzt absolut keine Zeit. Alina musste gerettet werden – und außer ihr auch noch Lilith und er selbst. „Kommen Sie nachher wieder, ja?“, rief er dem unbekannten Mann zu.
Der stellte sich schweigend neben ihn an den Schreibtisch und schaute auf den Monitor. „Verflucht!“, rief der Unbekannte. „Hast du eine Waffe?“
Elias brauchte einen Moment, bis er kapierte, dass der Mann das Spiel meinte. „Nur noch ein Schwert“, meinte er.
„Das bringt´s nicht!“, rief der Mann. „Wieso hast du denn nicht die Armbrust genommen, die da hinten in der Truhe liegt. Ich dachte, du bist so ein guter Computerspieler. Hast du denn nicht …“
„Moment mal …“ Elias drehte sich um und starrte den Mann an. Wer war dieser Typ? Was wollte er von ihm? Und was mischte er sich in das Spiel ein? Der Typ kam ihm irgendwie bekannt vor. Elias überlegte.
„Vorsicht!“, schrie der Mann und zeigte auf den Monitor.
Blitzschnell drehte sich Elias um. Der Drache hatte seine Zunge ins Maul gerollt. Gleich würde er den nächsten Feuerball spucken. Hastig drückte Elias die Escapetaste. Die Szene auf dem Computer erstarrte. Dann drehte er sich wieder zu dem Mann um. Und jetzt plötzlich wusste Elias auch, wen da vor sich hatte. „Sie sind Merles und Alinas Vater, stimmt`s?“, fragte er. „Sie waren im Krankenzimmer, richtig?“
Der Mann nickte und schluckte. „Ja, ich bin ihr Vater“, sagte er leise und seine Stimme klang belegt. „Aber niemand käme auf die Idee, mich als Vater zu bezeichnen. Ich habe sie alle verraten. Ich bin an allem schuld. Dass Alina im Krankenhaus mit dem Leben ringt, dass alle schon ein
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