Himmlische Juwelen
Pappnase aufgesetzt.
»Ich störe doch nicht, Dottoressa?«, fragte er.
»Nein, überhaupt nicht«, sagte sie und trat beiseite. »Bitte schön!«
Sie winkte ihn an den Tisch.
»Ich bringe Ihnen den Computer«, erklärte er lächelnd. »Wie gesagt,
nichts Besonderes, aber unser IT -Spezialist
meint, für einfache Aufgaben sollte es reichen.«
»Ich muss ja nur kurze Berichte verfassen und per E-Mail
verschicken«, sagte sie.
»Sie können auch La Gazzetta dello Sport lesen, wenn Sie wollen«, sagte er. »Falls Sie mal Ablenkung vom achtzehnten
Jahrhundert brauchen.«
Sie begriff erst mit Verzögerung. »Sagen Sie bloß, La Gazzetta ist jetzt auch online?«
[123] »Selbstverständlich.« Und als er ihre Miene sah: »Das überrascht
Sie?«
Ertappt, musste sie zugeben: »Vielleicht habe ich Vorurteile
gegenüber ihrer Leserschaft.«
»Zum Beispiel, dass sie nichts von Computern verstehen?«, fragte er.
»Dass sie von gar nichts was verstehen«, sagte sie.
Nach kurzem Zögern stimmte er in ihr Lachen ein. »Ich muss bekennen,
dass mich das auch überrascht hat. Mein Bruder liest sie online.«
»Er interessiert sich für Sport?«
»Jagen und angeln und den ganzen Tag mit seinen Kumpels durch
matschige Äcker trampeln«, erklärte Dottor Moretti schulterzuckend.
»Eine meiner Schwestern ist Nonne«, erwiderte Caterina, um ihm zu
zeigen, dass er nicht der Einzige war, der merkwürdige Geschwister hatte.
»Ist sie glücklich?«, überraschte er sie aufs Neue.
»Ich glaube schon.«
»Können Sie sie besuchen?«
Caterina lächelte. »Sie ist nicht eingesperrt. Sie trägt Jeans und
lehrt an einer deutschen Universität.«
»Mein Bruder ist Chirurg«, sagte er und hob beide Hände. »Fragen Sie
gar nicht erst. Ich verstehe davon nichts.«
»Ist er ein guter Chirurg?«
»Ja. Und Ihre Schwester?«
»Fachbereichsleiterin.«
»In Deutschland«, bemerkte er so hochachtungsvoll, wie Italiener von
deutschen Universitäten sprechen. Er stellte die Tasche, die er immer noch in
der Hand gehalten hatte, auf [124] den Tisch, öffnete den Reißverschluss und nahm
einen Laptop samt Stromkabel heraus. Die Steckdose entdeckte er an der Wand am
anderen Ende des Tischs, also trug er den Computer hinüber und schloss ihn an.
Er klappte den Deckel auf, drückte auf einen Knopf und trat einen
Schritt zurück, als fürchte er, das Ganze könne mit einem lauten Knall in die
Luft gehen. Die Maschine summte und klickte, aber alles sehr leise.
Als die verschiedenen Lämpchen aufhörten zu blinken, beugte er sich
über die Tastatur und öffnete ein Programm, dann noch eins. Er starrte den
Bildschirm an, drehte sich zu Caterina um und fragte: »Das Ding für das WLAN ist da unten, glaube ich.«
Das Ding?, wunderte sich Caterina. Hier sprach ein Anwalt für
geistiges Eigentum, und der sagte tatsächlich »das Ding für das WLAN« ?
Er legte einen Finger auf das Pad, zog den Cursor nach unten,
klickte einmal, zweimal und grinste triumphierend, als Google erschien.
»Na bitte, Sie können Mails verschicken. Es macht Ihnen doch nichts
aus, Ihre eigene Adresse zu benutzen?«, fragte er dann verlegen. »Unser IT -Experte«, druckste er ungewohnt herum, »hat nach der
E-Mail-Adresse der Stiftung gefragt, und als ich die nicht wusste, schlug er
vor, Sie zu bitten, Ihre eigene zu verwenden.« Dann setzte er noch leise hinzu:
»Er hat gesagt, ich könnte Ihnen eine Mail-Adresse der Kanzlei geben, aber als
er mir erklärte, was das alles nach sich zieht, fand ich es doch besser, Sie
auf Ihre eigene Adresse anzusprechen.«
Als Caterina nicht gleich antwortete, fuhr er hastig fort: [125] »Schon
gut. Ich kann ihn das einrichten lassen, ein E-Mail-Konto unserer Kanzlei. Das
wäre bis zum Nachmittag erledigt, aber ich fürchte, dazu braucht er den Laptop
bei uns vor Ort.«
Sie lächelte erleichtert. Diese Sorge konnte sie ihm nehmen: »Nein,
schon gut. Natürlich kann ich meine eigene benutzen. Wozu sollen Sie das Ganze
noch mal in die Kanzlei und dann wieder zu mir zurückschleppen?« Sie kam auf
die eigentliche Arbeit zurück: »Ich kann allerdings noch nicht versprechen,
dass es viel zu berichten gibt.«
Er wies auf die Papiere: »Nichts?«
»Bis jetzt habe ich vor allem kirchliche Dokumente gefunden; und
eine Arie, die vermutlich von ihm stammt.«
»Eine Arie?«, fragte er, als habe er noch nie etwas von Notenschrift
gehört.
»Ich konnte sie noch nicht identifizieren, aber es ist eine
Opernarie und keines seiner
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