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Himmlische Juwelen

Himmlische Juwelen

Titel: Himmlische Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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und sagte mit unheilvoll gesenkter Stimme: »Sklaven ihrer
Familie, die Italiener.«
    Unter normalen Umständen hätte sie laut gelacht, aber etwas hielt
sie davon ab, und sie beschränkte sich auf ein einvernehmliches Grinsen.
    »Jura war… anders«, fuhr er fort.
    »Einfacher?«
    Wieder dieses Achselzucken. »Anders. Weniger [132]  kompliziert. Nach
drei Jahren war ich fertig, habe Examen und Staatsexamen abgelegt, und da bin
ich nun, zwanzig Jahre später, und ein großer Verlust war es nicht.«
    Obwohl sie das nicht ganz glaubte, lächelte sie nur, schenkte sich
und ihm etwas Wasser nach und wandte sich wieder ihrer Pasta zu.
    Nach einer Weile fragte er: »Was ist für dich das Reizvolle an der
Musik?«
    Ohne nachzudenken, antwortete sie: »Dass sie so schön ist. Musik ist
das Schönste, was wir zustande gebracht haben.«
    »Wir, die Menschheit?«
    »Ja«, sagte sie. »Eindeutig.« Überrascht, sich gegen ihre sonstige
Art etwas so Kategorisches sagen zu hören, fügte sie hinzu: »Vielleicht ist es
auch nur so, dass Musik die Kunstform ist, die mich am meisten begeistert. Mehr
als Dichtung und mehr als Malerei.«
    »Und warum gerade Barockmusik? Warum nicht etwas, das unserer Zeit
näher ist?«, fragte er mit aufrichtiger Neugier.
    »Aber die ist doch modern«, antwortete sie. »Kräftige Rhythmen und
eingängige Melodien, und die Sänger dürfen improvisieren.« Er schien etwas
fragen zu wollen, und sie erklärte: »Gegen Ende einer Arie können sie
Variationen anschließen: Die schreibt entweder der Dirigent, oder sie stehen
bereits in der Partitur, oder sie denken sich selbst welche aus.« Unwillkürlich
hob sie die Hand und zeichnete ein paar Schnörkel in die Luft.
    Er wagte einen Scherz: »Keine Urheberrechtsverletzung?«
    Sein vergnügtes Lächeln bewegte sie zu dem Geständnis: [133]  »Ich bin
zwar Musikwissenschaftlerin, also sollte ich so etwas nicht zugeben, aber ich
liebe auch das Spektakel am Barock: Drachen, fliegende Menschen und Monster,
Hexen, das Magische.«
    »Klingt nach Fantasyfilmen.«
    Er scherzte natürlich, aber sie antwortete ernsthaft: »So etwas
Ähnliches waren tatsächlich viele Opern. Man wollte den Leuten etwas bieten.
Die Sänger waren die Madonnas und Mick Jaggers ihrer Zeit: Sie sangen die
großen Hits. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass die Musik jetzt wieder
populär wird.« Als sie seine skeptische Miene sah, bemerkte sie: »Na schön,
populär nicht bei den Massen. Aber die meisten Opernhäuser haben in jeder
Saison eine Barockoper im Programm.« Sie schwieg einen Moment, denn plötzlich
ging ihr auf, dass sie noch nie von einem attraktiven Mann – oder überhaupt von
einem Mann – über dieses Thema befragt worden war. »Vielleicht ist uns der
Gesang so nahe, weil wir das selbst tun, mit unserem Körper.«
    »Verhält es sich mit dem Tanz nicht ähnlich?«, fragte er, was sie
daran erinnerte, dass er Anwalt war.
    Sie grinste. »Ja. Aber ich kann nicht tanzen, und früher einmal habe
ich gedacht, ich könnte singen, oder ich wollte singen.«
    »Was ist passiert?«, fragte er und legte seine Gabel ab.
    »Es fehlt mir an Talent«, antwortete sie so schlicht, als habe er
nach der Uhrzeit gefragt. »Der Wille war da, das Verlangen ebenfalls, und
sicher auch genug Hingabe, aber ich hatte – und habe – nicht genug Talent.« Sie
legte ihre Gabel auf den Tellerrand und nahm einen Schluck Wasser.
    »Das klingt sehr leidenschaftslos«, meinte er.
    [134]  Mit kaum merklichem Lächeln sagte sie: »Damals war es das nicht.«
    »Es war schwer?«
    »Falls du jemals verliebt gewesen bist, und die Angebetete hat dich
abgewiesen, weil du nicht der Richtige seist, na ja, dann kannst du es dir
vorstellen.«
    Er sah auf seinen Teller, griff nach der Gabel, legte sie wieder
hin, blickte auf und sagte: »Das tut mir leid.«
    Caterina lächelte, diesmal richtig. »Das ist lange her, und immerhin
kommt mir die Ausbildung, die ich hatte, durchaus zugute. Ich habe einen
leichteren Zugang zur Musik, vor allem Vokalmusik, wenn ich mir vorstelle, dass
man sie singen muss oder will.«
    »Entschuldigst du meine Ahnungslosigkeit, wenn ich sage, dass ich
dir glaube, ohne dich im Einzelnen zu verstehen?«
    »Sicher«, sagte sie, und um die Stimmung aufzuheitern, meinte sie:
»Außerdem hat es mir Einblick verschafft, wie eigenartig manche Leute sein
können.«
    »Musiker?«, fragte er.
    »Und die Leute um sie herum.«
    »Kannst du mir ein Beispiel nennen?«
    Sie überlegte, suchte nach einer

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