Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmlische Juwelen

Himmlische Juwelen

Titel: Himmlische Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
passenden Geschichte und sagte
schließlich: »Zum Beispiel erzählt man sich von König Georg I ., dass er einmal – bevor er nach England ging –
Steffani gegenüber bemerkte, er würde gern mit ihm tauschen. Ja der König
versuchte sich tatsächlich darin, ein Opernhaus zu führen – was mich an der
Überlieferung der Geschichte zweifeln lässt. Nach drei Tagen gab er auf und
sagte zu Steffani, es sei einfacher, ein Heer von [135]  fünfzigtausend Mann zu
kommandieren, als mit ein paar Opernsängern zurechtzukommen.«
    Dottor Moretti lachte. »Die habe ich immer bewundert, die das
können.«
    »Was?«
    »Mit dem Gedanken spielen auszusteigen.«
    »Du meinst, dem König war es wirklich ernst?«, fragte sie, erstaunt,
dass er den König beim Wort nahm.
    »Nein, natürlich nicht. Aber er hat immerhin etwas gewagt.« Nach
kurzem Zögern meinte er: »Beneidenswert.«
    Sie ging nicht näher darauf ein und fragte: »Hattest du ein
bestimmtes Jahrhundert im Auge? Oder ein Land? Oder eine historische Figur?«
Und da ihn der jähe Themenwechsel zu verwirren schien, fügte sie hinzu: »Als
Historiker?«
    Er ging erfreut auf diese Frage ein. »Allerdings.« Und als er sich
ihrer Aufmerksamkeit sicher war, setzte er hinzu: »Auch ich hatte eine
Passion.«
    Jetzt war sie baff. »Nämlich?«
    »Die Monarchie.«
    Caterina wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. »Und gleich
erzählst du mir, du seist der Sohn der verschwundenen Zarentochter Anastasia
und damit der einzig rechtmäßige Thronanwärter?«
    Er warf den Kopf zurück und lachte so laut, dass die Leute an
anderen Tischen sich nach ihnen umdrehten. Aus dem Lachen wurde ein Prusten –
ein Wort, das Caterina mit Dottor Moretti nie in Zusammenhang gebracht hätte,
aber vielleicht passte es ja zu Andrea.
    Als er sich beruhigt hatte, sagte sie: »Falsch geraten?«
    »Immerhin hast du nicht gefragt, ob ich der Sohn von [136]  König Zog
von Albanien bin.« Wieder lachte er, bis er die Brille abnehmen und sich die
Augen mit der Serviette abtupfen musste.
    Sie wartete. Grub eine Jakobsmuschel unter ihren Spaghetti aus und
verzehrte sie langsam, dann ein Stück Zucchini, legte die Gabel ab und fragte:
»Und wem genau gilt deine Passion?«
    »Den spanischen Habsburgern«, sagte er.
    »Ist das eine Rockgruppe?«, fragte sie freundlich.
    Diesmal brachte sie ihn nicht zum Lachen, eher schien er verwirrt.
Rasch korrigierte sie sich: »Entschuldige. Das war ein Scherz.«
    Er nickte, erst ernst, dann amüsiert. Schließlich sagte er: »Das
kommt von meiner damaligen fidanzata. « Um allen
Fragen vorzubeugen, fügte er hinzu: »Wir hatten einige gemeinsame Vorlesungen.«
Caterina hielt es für ratsam, ihn nicht mit Fragen zu unterbrechen.
    Und er sprach denn auch gleich weiter. »Sie war eine Adlige. Tochter
eines Herzogs, weitläufig mit den Habsburgern verwandt.« Er schüttelte
ungläubig den Kopf, dass er, der einmal die Tochter eines Herzogs gekannt
hatte, in einer Trattoria in Venedig gelandet war und mit einer Musikwissenschaftlerin
über sie redete.
    »Sie hat ständig behauptet, ihr Vater sei der rechtmäßige spanische
Thronfolger. Nach einer Weile hatte ich es satt, mir das anzuhören.« Er sah
kurz zu ihr hinüber. »Oder vielmehr, ich hatte es satt, ihr zuzuhören. Aber das
war mir damals nicht klar: Ich war zu jung. Ich hatte ihren Vater nie gesehen,
aber mir missfiel alles, was sie von ihm erzählte, diese ewige Leier, er sei
der rechtmäßige König von Spanien.« Offenbar [137]  glaubte er das noch deutlicher
erklären zu müssen: »Und je mehr mir missfiel, was sie von ihm erzählte, desto
mehr missfiel mir auch sie selbst. Aber mit achtzehn erkennt man so etwas
nicht.« Er lächelte über den jungen Mann, der er einst gewesen war, und sie
lächelte mit.
    Er wickelte ein paar Tagliatelle um seine Gabel, legte sie aber
wieder ohne zu essen hin und fuhr fort: »Deshalb begann ich nachzuforschen –
nicht nur über den Thronfolger, der ihren Vater angeblich bestohlen hatte,
sondern ich las ganz allgemein über Königshäuser und Besitzungen, über die
Hintergründe ihrer Macht und was sie während ihrer Regentschaft taten. Ich war
äußerst erstaunt darüber, wie viel Elend aus ihren Handlungen entstanden ist.
Wundervolle Kunst auf der einen Seite, unendliches Leid auf der anderen.« Er
sah sie an und lächelte. »Ich war wie gesagt erst achtzehn, was wusste ich
schon vom Leben?«
    Sie hob ihr Wasserglas, um ihm zuzuprosten, auch wenn man das
eigentlich nur

Weitere Kostenlose Bücher