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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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stellen, habe ich ihm erzählt, sein Vater wäre ein Pirat, ein Seemann, ein Soldat, ein Abenteurer – alles, nur nicht Paul Muscat, ein Feigling, der seine Frau verprügelt und davongelaufen ist, als ich ihm endlich die Stirn geboten habe.«
    Ich starrte sie an. »Paul-Marie? Er ist Pilous Vater? Aber ich habe gedacht, du und Roux, ihr wart …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es ist nie so weit gekommen. Unter anderen Umständen wäre es vielleicht passiert. Aber wir waren nur Freunde. Er hat immer nur dir gehört, schon damals. Aber als Paul-Marie herausgefunden hat, dass Roux bei mir wohnt und ich schwanger bin …«
    »Da hast du ihn in dem Glauben gelassen, dass das Baby nicht von ihm ist.«
    Sie nickte. »Ich konnte nicht anders. Wenn er es erfahren hätte, hätte er mich nie losgelassen. So ist Paul-Marie nun mal. Ich war im achten Monat, als er zurückgekommen ist, und – oh, Vianne, es war alles so entsetzlich.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    Ja, ich konnte es mir vorstellen. Paul-Marie, puterrot vor Wut. Roux, der versuchte, sie zu beschützen. Joséphine, die sich an den einen Strohhalm klammerte, mit dem sie sich gegen Paul zur Wehr setzen konnte. Paul hatte viel getrunken und aggressiv seine Rechte eingefordert, wie er es nannte – seinen Teil der Einnahmen aus dem Café, die wenigen Besitztümer, die er zurückgelassen hatte. Er folgerte vorschnell, dass Roux der Vater des Kindes sein musste, und Joséphine ließ ihn in dem Glauben, statt ihm die Wahrheit zu sagen.
    »Und dann?«
    »Das Übliche. Er hat die Theke demoliert, mich wüst beschimpft, und dann ist er auf seinem Motorrad davongerast. Später kam die Polizei und hat mir mitgeteilt, dass er einen Unfall hatte.«
    Man brachte Paul ins Krankenhaus. Joséphine war seine nächste Angehörige. Als sie erfuhr, dass er nie mehr laufen würde, nahm sie ihn wieder bei sich auf. Was hätte sie sonst tun sollen? Teilweise war es ja auch ihre Schuld. Ihre Lüge hatte die Kette der Ereignisse in Gang gesetzt, und obwohl sie ihm nicht die Wahrheit sagen wollte, konnte sie sich ihrer Verantwortung nicht entziehen. Er hatte keine Arbeit, keine Ersparnisse. Sie gab ihm ein Zimmer im Café des Marauds und einen Dauerkredit an der Bar. Ein Teil von ihr hoffte, er würde seine Beine irgendwann wieder gebrauchen können, aber das traf nicht ein. Sie machte sich Vorwürfe. So lebten die beiden nun, acht Jahre später, immer noch Seite an Seite, durch die Umstände aneinandergekettet, während die Lüge zwischen ihnen von Tag zu Tag wuchs. Armer Paul-Marie. Arme Joséphine.
    Und dann traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz. In meiner Sorge um Joséphine hätte ich fast das Wesentliche übersehen! Roux hat mich nicht betrogen. Er ist nicht Pilous Vater. Er hat Joséphine sicher sehr gemocht, aber als er sich entscheiden musste, hat er mich gewählt. Alle meine Verdächtigungen, alle meine Zweifel waren nur waswas, Einflüsterungen des shaitan, wie Omi sagt, die der Schwarze Autan mir zugeweht hat. Und warum macht mich das nicht glücklicher? Eine Last ist von meinem Herzen gewichen. Aber ich spüre sie noch, obwohl ich weiß, dass sie nicht mehr da ist: etwas Dunkles, leise Flüsterndes, wo früher nichts als Süße war.
    Warum kannst du mir nicht vertrauen?, hat Roux mich gefragt. Warum kann es nie einfach sein?
    Möglicherweise ist genau das der große Unterschied zwischen uns, Roux. Du glaubst, das Leben kann einfach sein. Für andere vielleicht – aber nicht für mich. Warum habe ich dir nicht vertraut? Vielleicht, weil ich gespürt habe, dass du mir nicht für immer gehören wirst. Früher oder später wird der Wind drehen.
    Ich schob den Gedanken weg. Er konnte warten. Jetzt brauchte mich Joséphine.
    Ich nahm sie in die Arme und flüsterte: »Alles ist gut. Es war nicht deine Schuld.«
    Joséphine lächelte. »Das hat Reynaud auch gesagt.«
    »Du hast es ihm erzählt?« Ich war überrascht. Joséphine ging nicht in die Kirche, und dass sie ihr streng gehütetes Geheimnis gebeichtet hatte – und ausgerechnet Reynaud –, passte so gar nicht zu ihr.
    Sie lächelte. »Ja, ist das nicht komisch? Aber ich musste es jemandem erzählen, und er war da.«
    Endlich glaubte ich zu verstehen. Es war in ihren Farben, in ihrem geröteten Gesicht und dem hoffnungsvollen Glanz in ihren Augen. Die Liebenden. Warum fiel mir das erst jetzt auf? Die Königin der Kelche und ihr verkrüppelter Ritter waren Joséphine und Paul-Marie. Die Liebenden aber –
    Joséphine und

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