Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
helfen?«
Maya nickte unschlüssig.
»Gut.« Ich holte tief Luft. Die Sache musste wohlüberlegt sein. Natürlich hätte ich Maya bitten können, ihre Mutter oder ihren Vater zu holen, aber ich wusste ja nicht, wer für meine Gefangenschaft verantwortlich war, und die Vorstellung, mich vor einer Gruppe von Maghrebinern rechtfertigen zu müssen, die alle glaubten, ich hätte ihre Schule in Brand gesteckt, war, milde ausgedrückt, ein wenig beängstigend. Aber es gab eine Frau in Les Marauds, die mir helfen konnte, wenn ich sie nur erreichte.
»Kennst du Vianne Rocher?«, fragte ich eindringlich.
Sie nickte. »Ja, Rosettes memti.«
»Genau. Geh und such Vianne. Sag ihr, dass ich hier bin. Sag ihr, Reynaud ist hier und braucht Hilfe.«
Darüber musste sie erst mal nachdenken. »Heißt du Reynaud?«, fragte sie schließlich.
»Ja.« Oh, Gott, gib mir Geduld. »Bitte. Ich bin seit gestern hier drinnen. Das Wasser steigt. Und es gibt Ratten.«
»Ratten? Hammer!« Das Kind hatte eindeutig zu viel Zeit mit Jean-Philippe Bonnet verbracht. Ich atmete tief durch. Atmen, Francis. Konzentrier dich.
»Ich gebe dir alles, was du willst. Spielzeug, Süßigkeiten. Aber jetzt geh und hol Vianne.«
Mein Angebot schien ihr eine Überlegung wert zu sein. »Alles, was ich will?«, fragte sie. »Wie drei Wünsche oder so? Wie bei Aladin?«
»Alles.«
Wieder grübelte sie. Dann kam sie zu einem Entschluss.
»Okay.« Sie sprang auf. Die bonbonrosa Gummistiefel waren auf einmal ganz nah. In meinen Augen brannten Tränen der Dankbarkeit – oder war es nur der Straßenstaub?
»Mein erster Wunsch«, rief Maya durch das Gitter, »ist, dass du meinen jiddo wieder gesund machst. Die anderen beiden Wünsche denk ich mir später aus. Tschüs, Dschinni. Bis bald.«
»Nein, warte«, rief ich. »Maya, bitte! Hör mir zu!«
Doch die rosaroten Gummistiefel waren schon verschwunden.
Ich verfluchte mich in allen Sprachen, die ich beherrschte, und stieg von den Umzugskisten herunter. Und dann, genau in dem Moment, als ich durch das knöcheltiefe kalte Wasser watete und dachte, dass meine Situation unmöglich noch schlimmer werden konnte, hörte ich hinter der Kellertür Schritte.
Schnell entfernte ich mich von den Kisten. Ein Schlüssel knirschte in der Tür. Sollte ich zur Tür rennen und meine Kidnapper überrumpeln? Aber das war reine Phantasterei. In meiner derzeitigen körperlichen Verfassung hätte mich sogar eine Frau ohne Probleme die Kellertreppe hinunterstoßen können.
Die Tür ging auf. Drei Männer traten ein. Obwohl ich nur Silhouetten sah, erkannte ich Karim Bencharki. Die anderen beiden waren jünger, wahrscheinlich zwei Burschen aus dem Gym. Sie trugen Fackeln, und Karim hatte einen Kanister in der Hand. Ich roch Benzin.
»Ihr lernt es doch nie«, sagte Karim.
Ich befand mich immer noch im Bauch des Walfischs.
5
Donnerstag, 26. August
»Es handelt sich hier um ein Missverständnis«, sagte ich. »Lasst mich raus, ich kann das alles erklären.«
Karim ließ den Benzinkanister fallen. Am Geräusch erkannte ich, dass er leer war. »Erst mal erklären Sie mir das hier, Monsieur le Curé. Sie hatten ihn dabei, als wir Sie erwischt haben, wie Sie meiner Schwester hinterherspionierten.«
»Das ist nicht …«, setzte ich an. Dann fiel mir Sonia ein. Es musste ihr Benzinkanister sein. Sie hatte ihn fallen gelassen, als ich sie ansprach. Aber sie hatte bei mir die Beichte abgelegt. Wie konnte ich ihrem Mann das sagen?
»Ich habe ihr nicht nachspioniert«, sagte ich. Das war gelogen, und so klang es auch. »Ich wollte mit ihr reden.«
»Haben Sie sich deshalb hinter einem Baum versteckt?«
Ich wollte mir eine neue Lüge ausdenken, merkte aber, dass ich damit nicht durchkommen würde. Manche Menschen sind von Natur aus begnadete Lügner, père. Ich gehöre nicht dazu. Also versuchte ich es mit einer anderen Strategie: »Ich möchte Sie etwas fragen, Karim. Wie lange glauben Sie, können Sie mich hier unten einsperren? Lassen Sie mich jetzt frei, und ich verspreche Ihnen, dass ich nichts gegen Sie unternehmen werde.«
Rückblickend muss ich zugeben, dass das ein wenig arrogant geklungen haben dürfte. Einer der jüngeren Männer sagte etwas zu Karim, der ungeduldig reagierte, und es folgte ein kurzer Wortwechsel auf Arabisch.
Mir wurde allmählich mulmig. »Bitte, Sie müssen mir glauben«, sagte ich, direkt an Karim gewandt. »Ich habe nicht versucht, die Schule niederzubrennen. Ich habe Ihre Schwester nicht
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